Arnold Zweig : ” Junge Frau von 1914 ”
Dieses Buch bildet zusammen mit ” Streit um den Sergeanten Grischa ” und ” Erziehung vor Verdun ” eine Triologie, in denen Zweig den 1. Weltkrieg anhand von Einzelschicksalen schildert.
Hauptpersonen des Romans sind Werner Bertin und Leonore Wahl. Bertin ist abgebrochener Lehramtsstudiuosus und freier Schriftsteller,aus Schlesien stammend, Leonore Wahl eine Tochter aus einer vornehmen Potsdamer Bürgerfamilie, die sich das Kunststudium in München ertrotzt hat. Dort hat sie Bertin kennengelernt, zu dem sie eine nach ihrer Rückkehr nach Berlin halb hinter dem Rücken ihrer Eltern fortgeführte Beziehung unterhält.
Bertins Einberufung stellt ihn und Leonore mit einem Mal vor die Frage, wie sie angesichts der Ungewissheit durch den Krieg ihr Leben dauerhaft verbinden können, wohl wissend, dass die gesellschaftlichen Schranken hoch und die Vorurteile der Wahls gebenüber einem mittellosen Künstler aus der tiefsten Provinz noch viel höher sind.
Der Krieg entfesselt seine eigene schicksalshafte Dynamik. Am Tage vor Bertins Verlegung an die Front, fällt er über Leonore her, das Kind, das so gezeugt wird, treibt Leonore ab, ihre Zuneigung zu Bertin schlägt in Hass um, allmählich wenden sich ihre Gefühle ihm jedoch wieder zu. Leonores Eltern beginnen nach und nach mit dem Gedanken zu spielen, dass ein Schwiegersohn im Feld nicht das Schlechtste sei , zumal die familieneigene Firma um Rüstungsaufträge buhlt. Auch denkt man an den eigen Sohn David, einen Oberprimaner, den man gern von der Einberufung zurückstellen möchte.Warum den eigenen Sohn drangeben, wenn der Eingeheiratete notfalls draufgehen kann ?
Interessant fand ich in diesem Buch die Erwähnung des Geldes . Bertin, der mittellose Literat, nennt Geld stets nur theoretisch sein eigen. Die 600 Mark, die er nach seiner Einberufung als Vorschuss für eine Veröffentlichung erhält ,stehen auf einem Girokonto. Der Giralverkehr machte zu dieser Zeit bereits einen beträchtlichen Teil des Geldverkehrs aus. Auch die 5000 Mark Mitgift, mit der seine Schwiegereltern in spe ein Konto für ihn einrichten, damit er zumindest auf dem Papier etwas vorzuweisen hat, sind nicht greifbar. Einzig seinen Sold, 51 Pfennig pro Tag ,hält er in der Hand, wenn er in Serbien Strassen baut oder in Frankreich Gräben schippt.
Zur Hochzeit stecken Wahls ihrer Tochter drei Tausenmarkscheine in die Tasche . Von den Schwiegereltern, kleinen Handwerkern aus Schlesien, bekommt sie ( nicht etwa Bertin ) lediglich hundert Mark in die Hand gedrückt, allerdings handelt es sich um fünf goldene Zwanzigmarkstücke, die Bertins Vater “ sich und er Reichsbank halb abgetrotzt hat “. Zweig merkt an, dass diese hundert Mark letztendlich das wertvollere Geschenk darstellen würden, doch dass die Brautleute dies zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen konnten.
Worauf spielt Zweig an ? Auf die Inflation 1923 ? Oder auf die Zeit nach 1933 ? Sowohl die Bertins ,als auch die Wahls sind Juden. Sollen diese fünf Füchse einmal ihr gesammtes Kapital sein auf der Flucht aus dem Deutschland, das weder Bertins Kunst noch seinen Einsatz als Frontkämpfer anerkennen wird ?
Zweig erwähnt natürlich nicht, um welchen Typ Zwanzigmarkstück es sich handelt, doch unter Hinweis auf den Titel des Buches stelle ich eine preussische Doppelkrone vom Typ “ Uniform “ ein, die gegen Ende des Prägejahres 1913 das seit 1888 verwendete Kaiserportrait ablöste. Die Auflage für 1913 ist unbekannt, 1914 wurden 6 Millionen geprägt, 1915 nochmals 1,2 Millionen. Der Jahrgang 1915 wurde überhaupt nicht mehr ausgeben, 1913 und 1914 vermutlich nur in geringer Zahl, denn die Reichsbank begann zu diesem Zeitpunkt Gold zurückzubehalten und vermehrt Banknoten in den Umlauf einzuspeisen. Mit Kriegsausbruch erlosch die Goldeinklösepflicht dann , jedoch gab es keine Ablieferungspflicht für Gold. “ Gold gab ich hin – Eisen war mein Gewinn “ war ein selbstauferlegter Zwang, einem Apell an das Gewissen folgend. Und ebendiesem Gewissen trotzte Vater Bertin fünf Füchse ab, um sie seinen Kindern als Mitgift für eine bessere Zukunft mit auf den Weg zu geben.
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