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US Hard Times Token https://numismatik-cafe.at/viewtopic.php?f=22&t=5204 |
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Autor: | klaupo [ 23. Okt 2013, 19:21 ] |
Betreff des Beitrags: | US Hard Times Token |
Die US-Amerikanischen Hard Times Token sind eigentlich kleine Kupfermedaillen in der ungefähren Größe der Large Cents. Zwischen ca. 1833 bis 1843 von privat geprägt wurden sie aber auch als inoffzielle Währung im Umlauf verwendet und dürfen daher als Token bezeichnet werden. Dargestellt sind - oft satirisch - zeitgenössische politische Themen, insbesondere die Auflösung der Nationalbank der USA durch den Präsidenten der Demokratischen Partei, Andrew Jackson, deren Folgen die "Hard Times" - wirtschaftlich schwierige Zeiten - auslösten. Dabei sollte man sich vor Augen halten, daß kurz zuvor - 1835 - die Vereinigten Staaten ihre Staatsschulden vollständig getilgt hatten und die Staatseinnahmen die -ausgaben übertrafen (Sowas hat es tatsächlich mal gegeben!) . Wohin nun mit dem Geld? Eine Deponierung bei der Nationalbank kam für den autokratisch agierenden Präsidenten Jackson als Gegner dieser Bank nicht in Frage. Sie wurde aufgelöst, und die Überschüsse in Höhe von ca. 32 Millionen Dollar wurden - als zinslose Einlage des Staates! - auf ca. 40 Staatsbanken der einzelnen Bundesstaaten verteilt. Diese nutzten die Gelder zur Vergabe zinsgünstiger Kredite, wobei sie jede Vorsicht fahren ließen. Die Wirtschaft boomte, denn mit dem billigen Geld wurden Käufe von Staatsländereien in großem Stil getätigt. Um diese Spekulation und die ungebremste Emission von Banknoten durch die Banken einzudämmen, veröffentlichte Jackson 1836 das "Specie Circular". Landkäufe waren danach nur noch in Gold- und Silbermünzen (Specie) zu bezahlen. Als Folge flossen diese Edelmetalle in den Westen ab oder wurden gehortet. Als dann Anfang 1837 an der Londoner Börse eine Panik ausbrach, die auch die USA erreichte, stellten nach einer Konkurswelle, in welcher in knapp zwei Monaten 250 Gesellschaften untergingen, die Banken die Goldzahlungen ein, d.h. sie verweigerten die Einlösung der von ihnen selbst ausgegebenen Banknoten. Im Vorfeld dieser Ereignisse entstand der folgende Token. Dateianhang: I take the responsibility hard times token. HT#71 ff Av. Präsident Andrew Jackson mit Schwert und Geldsack ragt aus einer Geldkiste. Die Legende I TAKE THE RESPONSIBILITY (Ich übernehme die Verantwortung) zielt auf seinen autokratischen Führungsstil. Die Verbindung von "Schwert und Geldsack" steht für die Befürchtung seiner Gegner von Korruption und Willkür, wenn der Präsident nach Ausschaltung der Nationalbank allein über die Verteilung der Staatseinnahmen verfügen konnte. Rv. Ein Esel mit den Buchstaben “LLD” auf dem Rumpf. Legende THE CONSTITUTION AS I UNDERSTAND IT (die Verfassung, wie ich sie verstehe), ROMAN FIRMNESS (Römische Standhaftigkeit) und VETO (Einspruch), ein Verweis auf die Maßnahme des Präsidenten, mit der er die Verlängerung des Mandats der Nationalbank verhinderte. Der Esel war zunächst ein Wortspiel zwischen Jackson und Jackass (Esel), wurde dann aber positiv besetzt und ist bis heute das Maskottchen der Demokratischen Partei. Das LLD (auf dem abgebildeten Token nur zu erahnen) steht für "Doctor of Law" (Doktor der Rechte), eine Anspielung auf die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch das Harvard College an Jackson im Jahr 1832. Jackson galt seinen Zeitgenossen nicht gerade als Beispiel für hohe Bildung. Hergestellt wurde der Token von der Scovill Manufacturing Company in Waterbury, Connecticut um 1834. Das Unternehmen war 1802 als Knopffabrikant gegründet worden, erweiterte seine Produktpalette auf diverse Verbrauchsgüter und existiert noch heute. Der vorgestellte Token zeigt eine Schußverletzung - er hat also tatsächlich "hard times" erlebt. Die Infos habe ich aus der MTr 4 / 93 von einem Artikel von Helmut Kahnt mit Infos aus dem Netz zusammengeführt. Gruß klaupo |
Autor: | KarlAntonMartini [ 23. Okt 2013, 21:28 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: US Hard Times Token |
Danke für diese Vorstellung. So ein Token war mir Anfang der 80er Jahre zugelaufen, damals gab es kaum Möglichkeiten, etwas darüber zu erfahren. Erst zwanzig Jahre später konnte ich ihn dann als "nicht-britisch" aussortieren und weitergeben. Grüße, KarlAntonMartini |
Autor: | klaupo [ 25. Okt 2013, 16:58 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: US Hard Times Token |
Ich finde diese satirischen Token, die damals in den politischen Auseinandersetzungen als Propagandamittel eingesetzt wurden, sehr originell gemacht. Allerdings ist es mittlerweile recht schwierig, Infos zum Hintersinn der Darstellungen aufzutreiben. Der Handel beschränkt sich auf Hinweise auf die Seltenheit (das sind sie nicht!) und geht allenfalls mit einem kurzen Hinweis auf den Hintergrund ein. Der bereits erwähnte Artikel in der alten MTr war daher eine große Hilfe. Und so stellt sich der weitere Verlauf der "hard times" in etwa folgendermaßen dar. Die Amtszeit von Andrew Jackson endete 1837, und ihm folgte sein vormaliger Vizepräsident Martin van Buren ins Amt. Der mußte sich nun mit dem Debakel, das die Spekulationsgeschäfte der Banken verursacht hatten, auseinandersetzen und die Staatsgelder neu ordnen. An der Metallwährung (s. oben Jacksons "Specie Circular") hielt er fest. Zur Verteilung der Staatsgelder und Vergabe der Kredite wurden jedoch in diversen Großstädten sog. "Subtreasuries", d.h. nachgeordnete Schatzämter eingerichtet. Das Gesetz, das die Einrichtung dieser Subtreasuries ermöglichte, trat trotz heftiger Kritik 1840 in Kraft. Die Kritik an van Buren und seiner Geldpolitik fand damals im folgenden Token Ausdruck. Dateianhang: 1837 Hard Times Illustrious Predecessor Executive Experiment Token HT#31 ff Av. Eine Schildkröte, eine Schatztruhe mit der Aufschrift SUBTREASURY auf dem Panzer. Legende: EXECUTIVE EXPERIMENT (d.h. Experiment der Regierung), unter der Jahreszahl FISCAL AGENT (so wurden die vom Kongress auszuwählenden Banken bezeichnet, bei denen die Staatsgelder deponiert werden sollten). Die Schildkröte steht für die Befürchtungen, daß mit den Subtreasuries eine langsamere, vorsichtigere Kreditpolitik betrieben werden sollte. Rv. Der Esel der Demokratischen Partei. Legende: I FOLLOW IN THE STEPS OF MY ILLUSTRIOUS PREDECESSOR (d.h. Ich trete in die Fußstapfen meines berühmten Vorgängers - nämlich Jacksons). Dieser Satz ist ein Zitat aus der Antrittsrede van Burens als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Entschiedenster Gegner der Währungspolitik van Burens und der "nachgeordneten Schatzämter" war der Senator Daniel Webster, der als Anwalt bereits 1830 die Nationalbank verteidigt hatte. Er bekämpfte die Einrichtung der Subsidiaries als "Experiment der Regierung". Als das Gesetz über die Subtreasuries 1841 nach der Abwahl van Burens kassiert worden war, wurde der folgende Token geprägt. Dateianhang: Webster & van Buren Political Hard Times Token 1841 HT#22 Av. Ein Segelschiff, das an einem Riff zerschellt, auf seiner Bordwand das Wort EXPERIMENT (auf dem abgebildeten Token schwach lesbar), Umschrift VAN BUREN METALLIC CURRENCY (van Burens Metallwährung). Rv. Ein Dreimaster unter vollen Segeln, auf der Bordwand das Wort CONSTITUTION (Verfassung). Umschrift WEBSTER CREDIT CURRENCY (Websters Kreditwährung). Der Token stellt also die von Jackson angeordnete und von seinem Nachfolger van Buren durchgesetzte Metallwährung, d.h. Bezahlung ausschließlich in Gold und Silber und keinesfalls in Banknoten (Kreditgeld) als gescheitertes Staatschiff dar und die Wiedereinführung der Kreditwährung als Erfolg der Verfassung. Dieser "Erfolg" war jedoch nur vorübergehend. Das Gesetz über die "Subsidiaries" wurde 1846 reaktiviert, weil sich die Institution letztlich bewährt hatte. Gruß klaupo |
Autor: | klaupo [ 26. Okt 2013, 22:14 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: US Hard Times Token |
Neben diesen explizit auf politisch Verantwortliche zielenden Token gab es eine weitere Gruppe, die von wohlhabenden Händlern ausgegeben wurden. Diese - heute würde man sagen - "Elite" hatte ihre Wohnsitze an der Südspitze von Manhattan und 1827 eine angeblich feuerfeste Warenbörse (Merchants Exchange) errichten lassen, die dann prompt einige Jahre später 1835 dem großen Brand zum Opfer fiel. Der folgende Token zeigt dieses Gebäude. Dateianhang: 1837 Merchant's Exchange Hard Times Token. HT#293 Av. MERCHANTS EXCHANGE WALL ST N. YORK. Frontansicht des Gebäudes; darunter, BUILT 1827 / BURNT 1835. Rv. Umschrift MILLIONS FOR DEFENCE. Im Lorbeerkranz NOT / ONE / CENT / FOR TRIBUTE. Interessanter ist allerdings - obwohl es nicht so aussieht - die Rückseite des Tokens. Die Devise "MILLIONS FOR DEFENCE NOT ONE CENT FOR TRIBUTE" findet sich auf diversen Token mit unterschiedlichem Avers. In der aktuellen Situation der "hard times" sollte sie den Protest der Kaufleute während einer zeitweiligen Aussetzung der Metallwährung ausdrücken, hinter dem die Befürchtung stand, daß das Kupfergeld außer Kurs gesetzt würde. Die Devise griff dabei jedoch ein Zitat auf, das im Zusammenhang mit einem Ereignis gefallen war, welches schon damals gut dreißig Jahre zurücklag und uns an die nordafrikanische Küste versetzt. Ich gebe den Text von Helmut Kahnt im Wortlaut wieder. Zitat: Im Mai 1801 erklärte der Pascha von Tripolis, Jussuf Karamanli, den Vereinigten Staaten von Amerika den Krieg! Der Grund: Die Vereinigten Staaten waren nicht länger bereit, einen Tribut an den Pascha zu zahlen, damit ihre Handelsschiffe von den nordafrikanischen Seeräubern ungeschoren blieben. Um eine Vorstellung zu erhalten, in welcher Grössenordnung diese Tributzahlungen lagen, muss man wissen, dass diese im Jahr 1800 immerhin 20% der amerikanischen Bundesauasgaben erreichten! Der Slogan "Millions for defence but not one cent for tribute" diente zur moralischen "Aufrüstung" in der öffentlichen Meinung der USA. Vorerst passierte auf dem Kriegsschauplatz allerdings wenig. Erst im zweiten Kriegsjahr begannen amerikanische Kriegsschiffe, den Hafen von Tripolis zu blockieren. Anfangs stand dies aber unter keinem guten Stern. Die Fregatte "Philadelphia" wurde von einem tripolitanischen Schiff auf ein Riff gelockt. Als sie dort manövrierunfähig lag, wurde sie gekapert, wobei rund 300 Seeleute in Gefangenschaft gerieten. Die Fregatte wurde dann in den Hafen geschleppt und wieder flottgemacht. Weil dadurch das Kräfteverhältnis erheblich zugunsten des Paschas von Tripolis verschoben wurde, inszenierten die Amerikaner ein Kommandounternehmen, bei dem die Fregatte in die Luft gesprengt wurde. Lord Nelson bezeichnete dieses Unternehmen als "die wagemutigste Tat unserer Zeit". Im Friedensschluss vom 4. Juni 1805 verzichtete der Pascha auf amerikanische Tributzahlungen und liess alle amerikanischen Gefangenen gegen ein Lösegeld von 60.000 Dollar frei (ursprünglich hatte er 250.000 Dollar gefordert, war jedoch runtergehandelt worden). Dieser Krieg hat sich übrigens auch in der Hymne der amerikanischen Marines, der amerikanischen Marineinfanterie, niedergeschlagen. Dort heisst es "From the halls of Montezuma to the shores of Tripoli". Mit Ruhm konnten sie sich allerdings dort nicht bekleckern. Etwa acht (!) Soldaten marschierten von Ägypten aus mit rund 500 Anhängern des gestürzten Bruders des Paschas in Richtung Tripolis. Sie gelangten aber nie dorthin, sondern sassen in Dema, rund 1500 km östlich von Tripolis, fest. Nach Friedensschluss wurden sie dort von einem amerikanischen Schiff abgeholt. Quelle: Helmut Kahnt, Hard Times Token, mt 4/93, p. 38 Mit dieser doch recht kuriosen Episode möchte ich meinen Exkurs zu den "Hard Times Token" beenden. Gruß klaupo |
Autor: | Afrasi [ 27. Okt 2013, 11:35 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: US Hard Times Token |
Vielen herzlichen Dank! ![]() Und Afrika war auch noch dabei ... ![]() |
Autor: | helcaraxe [ 28. Okt 2013, 23:16 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: US Hard Times Token |
Lieber klaupo, vielen herzlichen Dank für Deine wie immer extrem informativen Beiträge. Und wie auch immer habe ich Deine Bilder sehr genossen, die Du von Deinen Münzen anfertigst. Sie sind so professionell, da interessiert mich doch sehr, mit welcher Apparatur bzw. welchem Aufbau sie Dir gelingen. Könntest Du uns das nicht einmal vorstellen? Vielleicht im Unterforum Sonstiges? Ich wäre bestimmt nicht der Einzige, der sich dafür interessiert. |
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