Ich möchte heute mal ein paar Münzen vorstellen, die den meisten Sammlern von Notgeld gar nicht bekannt sind. Die einheitlichen Ersatzmünzen für alle Internierten-/Kriegsgefangenenlager in Südafrika für internierte Deutsche aus dem jahre 1941. Zunächst jedoch etwas geschichtlicher Hintergrund zur Entstehung des Geldes. Kurz nach der Kriegserklärung Englands an das Deutsche Reich am 3. September 1939 wurde weltweit im britischen Einflußbereich begonnen, vor allem männliche Reichsangehörige, aber auch naturalisierte Deutsche, die bereits britische Pässe hatten, in Konzentrationslagern zu internieren. Hauptgrund war, Deutsche an der Gestellung zu irgendeinem deutschen Truppenteil zu hindern, mißliebige "reichstreue" Personen an feindlichen Tätigkeiten zu hindern und deren Eigentum, Sachgüter und Finanzen für das britische Empire und damit für den Krieg gegen das Deutsche Reich zu beschlagnahmen oder zumindestens zu kontrollieren. Betrachten wir jedoch nur die Verhältnisse in Südafrika. Am 18. September 1939 begannen die Verhaftungen in Südwestafrika. Die Internierten wurden zunächst auf dem Gelände des ehem. Funkturmes des Kaiserl. Deutschen Gouvernements in Windhuk hinter Stacheldraht gesetzt. Insgesamt rund 1600 deutsche Jugendliche und Männer zwischen 15 und 75 Jahren wurden interniert. Ab 26. Juni 1940 wurden die Internierten unter schärfster militärischer Bewachung in die Konzentrationslager Andalusia, Ganspan, Koffiefontein und Pietermaritzburg abtransportiert. Hier trafen sie mit weiteren Deutschen aus Tansania, Kenia, Südafrika und aufgebrachten Seeleuten von deutschen Schiffen zusammen. Dazu kamen Dänen, Italiener, Deutsch-Amerikaner, Finnen, Holländer, Malteser, Russen, Tschechen etc. dazu. Kurz jeder, der im Verdacht stand, irgendwie mit dem Deutschen Reich zu sympatisieren. Zum Ende des Krieges sollte ein Großteil der Deutschen in das zerschlagene Deutsche Reich deportiert werden, etwa 5720 Männer. Für alle Deutschen, die nicht aus SWA oder der Union stammten, wurde diese Deportation und endgültige Enteignung konsequent umgesetzt, auch für alle Missionare aus Afrika. Die Deutschen aus SWA wurden aus den Lagern entlassen und weiße Afrikaner (Buren) aus Südafrika übernahmen die Bürgschaft über diese von der Deportation bedrohten Deutschen. Letztendlich durften alle spätestens nach dem Sieg der Nationalen Partei der Buren im Jahre 1948 zu ihren Familien zurückkehren. Die Afrikaner gaben sich alle Mühe, das geschehene Unrecht an den Deutschen wiedergutzumachen. Gemessen an französischen oder gar sowjetischen Internierungslagern hatten die Deutschen in Südafrika ein vergleichsweise erträgliches Los. Sie hatten zeitweise viele Freiheiten in den Lagern und ärgerten ihre Bewacher wo sie nur konnten. Z.B. gab es zeitweise zwei Lagerdruckereien, man konnte Schulabschlüsse nachholen oder studieren, es wurde heimlich Bier gebraut und sofort der NSDAP-Notgau "ANDALUSIA" gegründet. Dazu wurden von den Goldschmieden unter den Internierten aus 3 und 6 Pence-Silberstücken provisorische "Parteiabzeichen" hergestellt (die heute zu großen Seltenheiten gehören!). Alles recht amüsant nachzulesen in dem Buch "Andalusia, Erinnerungen an die Internierungszeit", das sich ausschließlich auf Zeitzeugen stützt. Doch nun zu dem von den Südafrikanern ausgegebenen Interniertengeld. Lassen wir die Zeitzeugen zu Wort kommen: Um Fluchtversuchen von vornherein vorzubeugen, wurde später eigenes Lagergeld geschaffen und niemand durfte bei hoher Strafe Geld besitzen, auch nicht einen Penny. Alles Geld mußte abgegeben werden. Wurde später etwas gefunden, gab es schwere Strafen und so mancher ist wegen eines Pennys in der Arrestzelle gelandet. Nun bekamen wir Geld aus Kunststoff, ähnlich Grammophonplatten. Rot waren das Pfund und die 10/- als höchste Einheiten; hellgrau waren das viereckige 2 Schillig-Stück und das dreieckige 3-Pence-Stück (tickey). Alle waren sauber geprägt. Bei der Auflösung der Lager 1946 durfte nicht eine Münze mitgenommen werden, alles Ersatzgeld wurde beschlagnahmt und der südafrikanischen Münzanstalt zur Vernichtung zugeführt. Die wenigen heute noch existenten Münzen müssen wohl alle vor Auflösung der Lager hinausgeschmuggelt worden sein. Ich habe die Münzen nur im THERON (TOKENS OF SOUTHERN AFRICA AND THEIR HISTORY) gefunden. HERN und MENZEL führen die Münzen nicht. Es gab folgende Nominale:
1 D EEN PENNIE (afrikaans), Durchmesser 32,1 mm, Dicke 1,9 mm 3 D THREE PENCE (englisch), 28,6 : 19,1 mm, Dicke 1,8 mm 6 D SIX PENCE (englisch), 23,7 : 19 mm, Dicke 1,6 mm 1 / EEN SJIELLING (afrikaans), Durchmesser 25,6 mm, Dicke 1,8 mm 2 / TWEE SJIELLINGS (afrikaans), 26 : 26 mm, Dicke 1,9 mm 10 / TEN SHILLINGS (englisch), Durchmesser 19,5 mm, Dicke 1,9 mm 1 ₤ EEN POND (afrikaans, Durchmesser 21,9 mm, Dicke 1,6 mm
Alle Münzen waren aus Fiber hergestellt. Von der 1-Pfund-Münze soll es nur noch zwei Stück geben, von der 10-Shilling-Münze kann ich leider nicht einmal eine Abbildung liefern. Ich hoffe, ein fast vergessenes Sammelgebiet etwas bekannter gemacht zu haben.
Dateianhänge: |
Dateikommentar: Parteiabzeichen, sogen. NOTGAU ANDALUSIA, hergestellt aus einem 3 Pence-Stück, gewölbt. Das Namenskürzel unten bedeutet Internierter Dieter Wurm (D.W.)
Notgau Andalusia av.jpg [ 43.6 KiB | 15906-mal betrachtet ]
|
Dateikommentar: Rückseite des Abzeichens.
Notgau Andalusia rv.jpg [ 39.88 KiB | 15906-mal betrachtet ]
|
Dateikommentar: Postkarten aus der Lagerdruckerei, die mit Genehmigung der englischen Bewacher (!!) ausgegeben wurden.
scan00057.jpg [ 25.5 KiB | 15906-mal betrachtet ]
|
Dateikommentar: Rückseite der Karten mit engl./afrikaanser Beschriftung
scan0002.jpg [ 70.73 KiB | 15906-mal betrachtet ]
|
Dateikommentar: Luftpostbrief an einen Internierten in Andalusia. Für kurze Zeit (während des deutsch-italienischen Afrikafeldzuges) war der Postaustausch über Ägypten möglich, sonst über das IRK.
Interniertenpost.jpg [ 109 KiB | 15906-mal betrachtet ]
|
_________________ „ IN TREUE FEST “
Zuletzt geändert von südwester am 24. Aug 2015, 20:02, insgesamt 2-mal geändert.
|