Hier also die Antworten von Prof. Barcelo -- und ich hoffe, ich gebe sie richtig und in seinem Sinne wieder.:
Das wichtigste zuerst.:
Hannibal war ein *Heeresabschnitts-Kommandeur*... und hatte keinerlei politische Befugnisse.
Er unterlag den Befehlen des karthagischen Senats.
Er war also kein unumschränkter Herr mit einem Heer in einem feindlichen Land.
Seine wirklich Rolle ( innerhalb der karthagischen Hierarchie ) würde heute absolut überschätzt werden.
In diesem Zusammenhang sprach sich Prof Barcelo ziemlich scharf gegen die Geschichtsschreibung des 19.Jahrhunderts aus, die das heutige Hannibal-Bild total verfälscht hätte.!.!.!
Es gab natürlich auch andere karthagische *Heeresabschnitts-Kommandeure* in Spanien, Korsika, Sardinien...
...die aber hinter den Taten des Hannibal *verschwunden* seien...weil unspektakulär.
Seine Aufgabe und Befehl war es, in Italien zu bleiben, und dort Krieg zu führen.
d.h.:
Hannibal durfte gar nicht raus aus Italien.!
( Selbstkritische Anm von M-M.:
So einfach war also die eigentliche Antwort.: Er hatte einen, nämlich.: seinen Befehl. Punkt und Fertig.! )
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Dadurch
...kommt jetzt eine ganz merkwürdige Konstellation zustande.
Einerseits mußte Hannibal in Italien bleiben um Krieg zu führen...( Senats-Befehl )
...andererseits hatten die Römer mit der Strategie des Cunctator überhaupt *keine Lust*, mit ihm Schlachten zu schlagen.
( Anm. M-M.: Hannibal war also jahrelang in einer PATT-Situation.!)
Dann die höchst interessante Bemerkung zu Cannae von Prof.Barcelo.:
Cannae wäre der Beginn seines Niedergangs gewesen. Wenn nicht der Niedergang selber.
Die Verlustzahlen beziffert Barcelo abweichend von dem, was uns als *bekannt* erscheint.:
Auf.:
30.000 (= Römer ) und 10.000 ( = Karthager )...und auch in diesem Zusammenhang wieder der Verweis auf die irreführende Geschichtsschreibung des 19.Jhdt.
Und jetzt.:
...kommt der wesentliche Unterschied zwischen der Lage der Römer und der der Karthager.:
Die Römer hatten nach nur einem Jahr nach Cannae bereits.:
20 nagelneue Divisionen ( pardon.: Legionen ) unter Waffen...
...die Karthager konnten aber überhaupt keinen *Nachschub* an Soldaten generieren.
Absolut Null...wenn man mal von den Rekrutierungs-Versuchen innerhalb Italiens absieht.
Nicht zuletzt deshalb bezeichnete Prof. Barcelo auch Cannae als eine Niederlage
( hinter dem scheinbaren Sieg ) Hannibals.
Liebe rom-kundige Leser.:
Diese These in dieser Art...war mir bis dato auch unbekannt...aber leuchtete mir nach kurzem Nachdenken unmittelbar ein.
Der Senat in Karthago konnte also hin und zurück mit einem einzigen Schiff nach Italien mit Hannibal Kontakt aufnehmen.
(...man gedenke nur der Geschichte, in der ein Bruder Hannibals die Goldringe der bei Cannae getöteten Römer vor dem karth. Senat *aus dem Sack* läßt )
...aber es war auf Grund der römischen Seeherrschaft völlig unmöglich, mit weiteren Truppen Hannibal zu verstärken.
( Anm.:
DAS war ja dann zu einem spätereren Zeitpunkt ( anno 207 bC) das Ziel des Hasdrubal, der wie sein Bruder auf dem Landweg von Norden kam...aber von den Römern am Metaurus abgefangen wurde )
So blieb dann Hannibal nur noch seine Strategie übrig, die Bundesgenossen Roms zu spalten...für und gegen Rom.
Mehr war nicht ( mehr ).
Die Situation war also durch diese merkwürdige Dualität zwischen dem Befehl des karthagischen Senats und dem *covern* der Römer ( Stichwort.: Cunctator ) zu einem 14 Jahre währenden PATT geworden...das wiederum Hannibal langsam aber sicher *fertig machte*.
Seine Truppen wurden älter, eine Menge seiner Soldaten starben in den 14 Jahren in Italien und Nachschub bekam er nicht...
(...und so waren sogar die 10.000 Mann Verlust bei Cannae für Hannibal tatsächlich eine Niederlage.)
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Weitere Bemerkungen von Prof. Barcelo.:
Es gab natürlich viele Parallelen zum 1. und 2.Wk.
Z.Bsp.:
Die Engländer hatten im 2. Wk ganze 19 Schlachtschiffe, die Deutschen nur 2 ( in dieser Kampfstärke ) .
Wenn also England ein Schlachtschiff verliert ( Hood ) und DEU ebenfalls ein Schlachtschiff ( Bismarck )
...so sind das doch zwei völlig verschieden zu bewertende Vorgänge.
Ähnlich war das dann bei Hannibal und den Römern bei 10.000 Mann Verlust bei einer Schlacht.
2.:
WEIL Hannibal sich immer loyal zu dem karthagischen Senat verhalten hat und die Befehle befolgt hatte, konnte er nach der Niederlage von Zama auch nach Karthago zurückkehren ( ohne Strafe.! ) und sogar später der oberste Staatsführer werden.
3.:
Hannibal muß sehr sehr reich gewesen sein.:
Nach Zama und Kriegsende entschädigte er *seine Veteranen* -- immerhin 30.000 Mann.
==>> Aus seinem eigenen Vermögen.!
Was ebenfalls sehr sehr beachtlich ist.!
4.:
Die Struktur / der Aufbau des Staates im antiken Rom und im antiken Karthago waren extrem ähnlich...fast zum verwechseln, sagt Prof. Barcelo.
5.:
Das Kriegsziel der Karthago war der *status quo ante*...also der Zustand und die Verhältnisse VOR dem 1. punischen Krieg. ( Wer sollte es den Karthagern verdenken.? )
5.b.:
Das Kriegsziel der Römer war es natürlich, den Gegner, den man schon einmal niedergerungen hatte...ganz und schlußendlich *aus der Bahn zu schaffen*...
Auch hier..
Parallelen zum 1. und 2. Wk.
Und...auch klar..
Der skrupellosere, der härter und kompromißloser und gnadenloser durchgreift, gewinnt natürlich den Krieg...das ist völlig natürlich.
5.c.:
Die Römer waren wesentlich unbeugsamer und willensstärker wie die Karthager...und wollten auf keinen Fall nach einer verlorenen Schlacht ( wie etwa Cannae ) mit ihm verhandeln.
Sie lehnten schlicht jede Verhandlung mit Karthago ab. Punktum.
Ein Beispiel v Prof Barcelo.:
Ähnlich wie in dem Fall des Krieges gegen den griech. König Pyrrhus -- nur wenige Jahrzehnte vorher.:
Da schafften die Kinder und Enkel einen uralten Senator ( Appius Claudius Caecus ) in den Senat, der etwa folgendes sagte.:
*Bisher, liebe Römer, litt ich unter dem Verlust meiner Augen...aber ich bedaure, daß ich nicht auch taub bin...daß ich von so schimpflichen Beratungen und Beschlüssen hören muß, die den Ruhm unserer Stadt vernichten...etc etc
Daraufhin faßte der Senat *neuen Mut* und führte den Krieg gegen Pyrrhus weiter.
Kurz darauf wurde dieser besiegt ( 275 v.Chr.).
Und analog dazu
...nicht zuletzt auch dieser Szene eingedenk...dachten die Römer gar nicht daran, gegen Hannibal aufzugeben oder gar mit ihm zu verhandeln.
6.:
Die Kriegsführung, Taktik und Strategie des östlichen ( !! ) Mittelmeer-Raumes inkl. Pyrrhus und Alexander d Gro. war im 2.römisch-karthagischen Krieg ständig in den Köpfen präsent...und es gab während dieses Krieges auch fortlaufend einen Kontakt und Austausch in beiden Richtungen.!
( Anm M-M.: Lies und staune.! )
7.:
Es gab auch zwei nicht-römische Biographen v Hannibal.: Silenos und Sosylos, deren Werke aber bis auf wenige Fragmente leider verloren gegangen sind...
Daher wurde meine Frage auf ein Psychogramm Hannibals mit einem einzigen Satz verworfen.:
**Viel zu wenig Informationen -- erst recht nicht, weil sein Privatleben völlig unbekannt ist...Frauen, Kinder, etc etc.**
8.:
Eine meiner Schlußbemerkungen war, daß nach m.M. nicht etwa Scipio africanus der wahre Sieger über Hannibal gewesen wäre...sondern eben jener Quintus Fabius Maximus Cunctator, weil er in der schweren Situation Roms die richtigen Entscheidungen gegen ein Genie getroffen hatte.
Prof. Barcelo stimmte mir aus vollem Herzen zu.
9.:
Laut Prof.Barcelo hatten die Karthager und auch Hannibal nie den Hauch einer Chance, die Römer wirklich und nachhaltig zu besiegen. Auch nach Cannae nicht.
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Zum Schluß noch was persönliches.:
Ich hatte mich natürlich auf Prof.Barcelo mit seinen beiden Büchern über Hannibal vorbereitet...und doch war mir so einiges neu.
Doch.:
Meine Fehler lagen in der falschen Gewichtung der Fakten und Argumente...
In Anbetracht dessen war ein persönliches Gespräch mit dem Verfasser der Bücher wie ein Haupt-Gewinn im Lotto.
Ich hatte auch ein wenig Bammel, ob ich auf seinem Niveau *mitkommen* würde.
Diese Befürchtungen haben sich -- zum Glück -- nicht bestätigt.
Ich kann also nicht ganz so schlecht sein...
Anm.:
Natürlich wußte er mehr...aber.: Wir haben uns auf Augenhöhe unterhalten.
Und.:
Ein persönliches Gespräch, mit Frage und Antwort, bringt natürlich viel viel mehr.
Wir hatten ein derart gutes Gespräch...und ein Wort gab das andere... daß aus der geplanten halben Stunde eine schöne anderthalbe Stunde wurde -- und wir uns beide *mit Gewalt* von einander losreißen müßten...sonst säßen wir noch heute da...
Und.:
Prof. Barcelo blühte im Gespräch so richtig auf...war lebendig und richtig begeistert und man konnte auf einmal die römische Geschichte und Hannibal so richtig *mit Händen fassen*.
Er schilderte so plastisch / anschaulich, als käme er gerade aus einer Sitzung des römischen Senats -- oder einer Generals-Besprechung im karthagischen Heerlager.
Mit Hannibal natürlich.
Liebe Leser.:
Wie gesagt.:
DAS ist ein Bericht über mein Gespräch mit Prof. Barcelo im Mai dieses Jahres.
Wir haben auch zum Schluß ein Foto gemacht.
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Und einer von meinen Freunden, mit denen ich öfters über viele Gebiete der Geschichte diskutiere...
...und der *meine Art* bestens kennt.:
...mußte auf dieses Foto natürlich unbedingt lästern.:
**Wer von den beiden ist denn der Professor.?**