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 Betreff des Beitrags: Seldschuken von Rum
BeitragVerfasst: 20. Mär 2010, 12:28 
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Wirklicher Hofrat

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Hallo mal wieder an die Freunde orientalischer Münzen,

ich möchte hier mal etwas zu ein paar Münzen aus dem Raum Anatolien erzählen. Ende des 10. Jahrhunderts waren die Seldschuken - ein Turkomanenvolk - an der Ostgrenze des byzantinischen Reiches aufgetaucht und hatten bei Manzikert die byzantinischen Streitkräfte, die ihnen entgegengeworfen wurden, geschlagen (1071 AD). In der Folge breiteten sie sich über weite Teile Anatoliens aus, das damals zum Reich der Rhomäer (Byzanz) gehörte, und aus diesem Siedlungsgebiet leitet sich ihr Name ab - die Seldschuken von Rum / Rom. Eigenes Geld prägten sie in der frühen Phase nicht. Man darf annehmen, daß byzantinisches Geld und die Münzen muslimischer Anrainerstaaten aus dem Osten kursierten. Erst nach einer Phase der Konsolidierung und der Etablierung eigenständiger Fürstentümer tauchten Mitte des 12. Jahrhunderts die ersten Kupfermünzen auf. Sie zeigen im Avers einen Reiter, im Revers werden Name und Titel des Münzherrn genannt.
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Suleyman-1155-n.jpg
Suleyman-1155-n.jpg [ 83.86 KiB | 24812-mal betrachtet ]

Zitat:
Rum-Seldschuken, Sulayman Shah als Malik von Tokat. AE Fals (6,59 g, 25 x 27 mm), ND (ca. 1155 AD), No Mint.


Seine größte Ausdehnung erreichte das Reich der Seldschuken von Rum unter Kayqubad I. (1220 - 1237). Es umfaßte nun ganz Zentral-Anatolien vom Mittelmeer bis zum Schwarzen Meer. Seine Angriffe auf Georgien konnte dessen Königin Rusudan nur abwehren, indem sie ihre Tochter Tamar mit Kayqubads Sohn Kaykhusraw II. vermählen ließ. Davon wird noch die Rede sein.

In die Zeit Kayqubads I. fällt auch die Blüte der seldschukischen Architektur, zu nennen besonders die Divrigi Ulu Dzamija - die Große Moschee in Sivas. Ein bildhaftes Detail (der Doppeladler) aus dem Portal dieser Moschee ist unten zu sehen. Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg einher ging die eigene Münzprägung. Geprägt wurden fast ausschließlich Schriftmünzen mit sorgfältiger Kalligraphie und ornamentalem Schmuck. Goldmünzen sind selten, aber die Silber-Dirhems waren von so hoher und gleichbleibender Qualität, daß sie zur bevorzugten Handelswährung über die Grenzen des Reichs von Rum hinaus wurden. Als es in der folgenden Periode in der Region zu einer Silberknappheit kam, wurde ihre Ausfuhr allerdings unter Strafe gestellt.
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Kayqubad_625_konya-n.jpg
Kayqubad_625_konya-n.jpg [ 104.23 KiB | 24812-mal betrachtet ]

Zitat:
Rum-Seldschuken, Kayqubad I. AR Dirham (2,95 g, 24 mm), 625 AH, Konya.


Kayqubad war zweimal verheiratet. Mit einer Armenierin hatte der den Sohn Kakhusraw II., von einer Ayyubidenprinzessin zwei weitere Söhne. Die Thronfolge regelte Kaykhusraw auf seine Weise: Er ließ seine beiden Halbbrüder liquidieren und deren Mutter und ihre Parteigänger gleich mit. Seine Regierung stand unter keinem guten Stern. Im Innern mußte er eine religiöse Revolte bekämpfen, von außen drangen aus dem Osten die Mongolen vor. Bei Köse Dag kam es 1243 zur Entscheidungsschlacht. Die seldschukische Elite fiel, Kaykhusraw floh nach Antalya - mit der Kriegskasse, heute würde man sagen "all inclusive", und die Seldschuken von Rum wurden Vasallen der Mongolen.

Unter Kaykhusrew II. (1237-1246) wurden die wohl attraktivsten Münzen der Rum-Seldschuken geprägt - die Bild-Dirhems mit dem "Sonnenlöwen". Dieser Typ hat zu mancherlei Deutungsversuchen geführt. Angeblich wollte Kaykhusrew seine heißgeliebte Frau, die Georgierin Tamar, die bereits oben erwähnt wurde, auf Münzen verewigt sehen, nahm aber aufgrund des Einspruchs seiner Ratgeber davon Abstand und wählte statt dessen ihr Horoskop - die Sonne im Zeichen des Löwen. Eine andere Version deutet das Münzbild als den Löwen Kaykhusrew und die Sonne Guercue Thamara-Khatun, so ihr voller Name. All das sind hübsche Geschichten, die sich nicht belegen lassen, denn der Sonnenlöwe ist als uraltes Symbol aus dem iranischen Raum bekannt ... und wie will man vor diesem Hintergrund jenen seltenen Münztyp deuten, welcher zwei Löwen zeigt?
Dateianhang:
Kaykus-2_Lion-n.jpg
Kaykus-2_Lion-n.jpg [ 101.62 KiB | 24812-mal betrachtet ]

Zitat:
Rum-Seldschuken, Kaykhusraw II. AR Dirham (3,01 g, 22,5 mm), 640 AH, Sivas


Abschließend möchte ich noch einen Münztyp vorstellen, der ein interessantes Licht auf die außenpolitischen Beziehungen der Rum-Seldschuken wirft. Am südostlichen Rand ihres Reiches hielt sich als Durchgangsland für die Kreuzfahrer der christliche Staat Klein-Armenien (auch kilikisches Armenien). Dessen Herrscher Hetoum I. (1226-1270) hat es - wie seine lange Regierungszeit andeutet - offenbar verstanden, sein Reich mit diplomatischem Geschick zwischen den angrenzenden Großmächten zu halten. Unter Kayqubad und Kaykhusrew kam es sogar zu einer Art Währungsunion, deren Hintergründe jedoch weitgehend ungeklärt sind. Als Ergebnis kennen wir jedoch die bilingualen / zweisprachigen Trams, die auf einer Seite den armenischen König zu Pferd zeigen, auf der anderen Seite den Herrscher der Seldschuken - Kayqubad bzw. Kaykhusrew - nennen. Das Bild zeigt ein Stück, auf dem der Name Kayqubad mit Kaykhusrew überprägt wurde. Wer da auf diesen Münzen nun Souverän und wer Souzerän ist und welche Seite als Avers bzw. Revers anzusprechen ist, darüber streiten sich bis heute die Gelehrten.
Dateianhang:
Kayqu_Hetoum-n.jpg
Kayqu_Hetoum-n.jpg [ 99.59 KiB | 24812-mal betrachtet ]

Zitat:
Hetoum - Kaykhusraw, AR Bilingual Tram (2,89 g, 24 mm), ND (637 AH), Rv. Überprägt


Ist vielleicht ein wenig lang geworden, aber kürzer hab ich es leider nicht zustande gebracht. Respekt allen, die bis hierher durchgehalten haben!

Gruß klaupo


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 Betreff des Beitrags: Re: Seldschuken von Rum
BeitragVerfasst: 20. Mär 2010, 13:06 
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Mit Genuß zu lesen, danke!


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 Betreff des Beitrags: Re: Seldschuken von Rum
BeitragVerfasst: 20. Mär 2010, 13:26 
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Moin Klaupo!

Vielen Dank! Vom Feinsten ...

Tschüß, Afrasi

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 Betreff des Beitrags: Re: Seldschuken von Rum
BeitragVerfasst: 20. Mär 2010, 23:58 
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Hallo Klaupo!

:appaus:
Ist das Prüfungsstoff :D

Klosterschüler

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Was du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Seldschuken von Rum
BeitragVerfasst: 21. Mär 2010, 09:24 
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Bild

Danke Klaus!

_________________
Das Leben ist viel zu kurz um schlechten Wein zu trinken.


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 Betreff des Beitrags: Re: Seldschuken von Rum
BeitragVerfasst: 21. Mär 2010, 10:46 
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Wirklicher Hofrat

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Nun ja, mir macht's Spaß, mich mit den Münzen zu beschäftigen, die bei mir landen ... und warum dann das Vergnügen nicht teilen!?

Lieber Klosterschueler,

Zitat:
Ist das Prüfungsstoff ...

... nö, nur ein bißchen was zum Üben, und wenn du ein paar Spickzettel für die Lektüre der Legenden brauchst - hier sind sie:

Sulayman Shah als Malik von Tokat
Kayqubad I. AR Dirham 625 AH, Konya
Kaykhusraw II. AR Dirham, 640 AH, Sivas
Hetoum - Kaykhusraw, AR Bilingual Tram,ND (637 AH)

Viel Spaß und viel Erfolg!

Gruß klaupo

Wichtiger Nachtrag: Um die arabischen Texte korrekt lesen zu können, müssen sie kopiert und horizontal gespiegelt werden. Der Verfasser der Seite hat auf der Startseite hinzugefügt:
SORRY FOR SOME UNKNOWN REASON ARABIC LINES MAY BE READ FROM REVERSE IN YOUR PC I AM TRYING TO FIX IT.


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 Betreff des Beitrags: Re: Seldschuken von Rum
BeitragVerfasst: 21. Mär 2010, 12:01 
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Professor

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Danke, klaupo. Nett!

:) v.


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 Betreff des Beitrags: Re: Seldschuken von Rum
BeitragVerfasst: 21. Mär 2010, 14:07 
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Doktor

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Beiträge: 130
Wohnort: Sievershütten
moin,

ein herausragender Versuch, den Leser mit einem neuen Sammelgebiet vertraut zu machen. Suchtgefahr!

entspannte Grüße
Hanjo

_________________
schwer hat man's leicht


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 Betreff des Beitrags: Re: Seldschuken von Rum
BeitragVerfasst: 21. Mär 2010, 21:26 
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Hofrat
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Bilder: 747

Wohnort: Sachsen
Hallo,

vielen Dank für den interessanten Beitrag - da kann ein gewisses Suchtpotential nicht abgesprochen werden....

Grüße
René

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wer sein Geld mit Konsum verschwendet, weis die wahren Freuden eines Numismatikers nicht zu schätzen...


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 Betreff des Beitrags: Re: Seldschuken von Rum
BeitragVerfasst: 17. Sep 2014, 21:53 
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Doktor
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klaupo hat geschrieben:
Wichtiger Nachtrag: Um die arabischen Texte korrekt lesen zu können, müssen sie kopiert und horizontal gespiegelt werden. Der Verfasser der Seite hat auf der Startseite hinzugefügt:
SORRY FOR SOME UNKNOWN REASON ARABIC LINES MAY BE READ FROM REVERSE IN YOUR PC I AM TRYING TO FIX IT.



Hallo klaupo & RS-Fans,

keine Frage, dass diese Website in jeder Beziehung vom Feinsten ist: nirgends sonst wird das Lesen von Jahreszahlen mit soviel Anschauungsmaterial vermittelt. Der einzige Wermutstropfen ist das angesprochene Problem.

Leider klappt das mit dem Spiegeln nicht, da die einzelnen Buchstaben nicht spiegelverkehrt sind, sondern in der umgekehrten Reihenfolge erscheinen. Dazu kommt noch, dass sie für gewöhnlich je nach Stelle (Anfang, Mitte, Ende) ein unterschiedliches Erscheinungsbild annehmen.

Nichtsdestotrotz wollte ich mir in einem ganz bestimmten Fall das Spiegelbild ansehen, wozu ich im "Paint" (noch XP) auf "Text" [A] ging und das Feld vergrößerte. Bereits beim EINFÜGEN sprangen die Buchstaben von selbst um: wie von Zauberhand war plötzlich alles richtig! Bei erneutem Kopieren und Einfügen (z. B. hier) ist dann jedoch wieder alles verkehrt. :headbang: Mit der Anwedung "Wordpad" ändert sich gar nichts. Mit "Word" habe ich es (noch) nicht probiert, nehme aber an, dass es genauso wenig klappt. Daher habe ich fast alles neu geschrieben.


Anhand einer Dirhem-Serie der "Drei Brüder" möchte ich nun die Jahreszahlen 647-656 AH durchgehen, womit alle 9 "einstelligen Numerale" in ihren Abkürzungsformen (teilweise in Diwani) vertreten sind:

1 ١ ihda احدى
2 ٢ ithnatain اثنتين Diwani: لى
3 ٣ thelath ثلاث od. ثلث
4 ٤ arba' اربع
5 ٥ khams خمس Diwani: و (auch 50)
6 ٦ sitt ستّ Diwani: / (60 J)
7 ٧ seb' سبع Divani: ــو
8 ٨ theman ثمان od. ثمن (scriptio defectiva)
9 ٩ tis' تسع

40 arba'in اربعين Diwani: ابو (ohne Pkt.)
50 khamsin خمسين (siehe 5)

600 sitt mi'at ستمائة / ستمئة

Immer wenn dem Wort sanat (Jahr) die Präposition "fi" (im) vorausgeht, sollten sämtliche Numerale (wie hier dargestellt) im Genitiv aufscheinen. Neben der maskulinen Form gibt es noch eine feminine Form, die mit ta-marbuta endet, wie es aber bei den "Drei Brüdern" lediglich bei der Nennung gewisser Münzstätten, z.B. Konya (Qunyat), vorkommt.


Avers:

‏لا إله إلا الله
‏محمد رسول الله الامام
المستعصم بالله اميرالمو
منين ضرب بقونية
في سنة ثمان (و) اربعين (و) ستمائة

(la-ilahe-illallah
muhammed-rasulullah al-imam
al-must'asim billah amir al-mu
minyn duriba bi-qunyat
fi sanat theman (wa) arb'in (wa) sittmi'at)

Es gibt keinen Gott außer Gott (Allah)
Mohammed ist der Gesandte von Allah
Der Imam (Kalif) al-Musta'sim billah, Beherrscher der Gläu
bigen Geprägt in Konya
im Jahr Acht Vierzig Sechshundert

Die üblichen "wa" (und) zwischen den einzelnen Numeralen wurden aus Platzgründen weggelassen.


Revers:

السلاطين الاعظم
ءزالدنيا والدين كيكاوس
و ركن الدنيا والدين قلج ارسلان
‏وءلاالدنيا والدين كيقباد
بنوكيخسرو براهين امرالمومنين

(as-sulatin al-a’zam
'izz ad-dunya wa ad-din kaykawus
wa rukn ad-dunya wa ad-din qilidsch arslan
wa 'ala ['] ad-dunya wa ad-din kaykubad
benu kaykhusru berahin amir al-muminyn)

Die Sultane, die Gewaltigen
Glanz der Welt und des Glaubens Kay Kawus
und Grundlage der Welt und des Glaubens Qilidsch Arslan
und Vortrefflichkeit der Welt und des Glaubens Kay Kubad
Sohn von Kay Khusru Strahlendes Licht des Beherrschers der Gläubigen


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_________________
Made in Styria


Zuletzt geändert von AvP am 20. Nov 2015, 21:34, insgesamt 8-mal geändert.
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