Als kurzen Ausblick auf die Vielfalt der indischen Münzen möchte ich hier eine weitgehend bekannte Rupie der Sikh vorstellen. Sie wird unter die besonders attraktiven Typen gezählt, vermutlich weil sie durch das Blatt-Motiv unserem Verständnis mehr entgegenkommt als andere rein kalligraphische Münztypen.
Dateianhang:
1884-86_Gobindshahi-n.jpg [ 113.59 KiB | 7604-mal betrachtet ]
Zitat:
India, Independent Kingdoms, Sikh, Ranjit Singh (VS 1856-1896 / 1799-1839 AD), AR Rupee VS (18)86 / 1829 AD, Amritsar, 4 shroff marks on rim, 11,11 g, 23,5 mm, KM#21
Der Münztyp weist einige Besonderheiten auf. Eine davon ist die, daß nie der Münzherr auf der Münze genannt wird - egal, ob nun zentral geprägt wurde oder in einer der zahlreichen Münzstätten der weitgehend selbständig agierenden Sardare (vergleichbar dem Titel eines Gouverneurs). Stets zeigt das Avers ein Couplet - die Anrufung eines der Gurus, des obersten religiösen Führers der Sikh, aus der Vergangenheit. Nach diesem Couplet wird der Münztyp zugeordnet. Das abgebildete Stück ist also eine
Gobindshahi Rupie, denn das Couplet nennt den Guru Gobind (Anm.
Lebensdaten 1666-1708 AD). Sinngemäß lautet es in etwa:
"Wohlstand, Macht, Sieg und Beistand sind die Gaben des Guru Gobind Singh". Oben - bei 1h - erkennt man verkürzt das Prägejahr
VS (18)86, datiert also nach der
Vikram Samvat Zeitrechnung. Das entspricht nach unserer Zeitrechnung dem Jahr 1829 AD.
Im Revers erkennt man deutlich bei 11h eine weitere Jahreszahl, nämlich
VS (1)884: Dieses Jahr ist nicht das tatsächliche Prägejahr, sondern über einen Zeitraum von 21 Jahren "festgeschrieben". Einen Anlaß für die Wahl dieses Jahres habe ich nicht ermitteln können, zumal im gleichen Zeitraum das ebenfalls festgeschriebene Jahr VS 1885 verwendet wird.
Das für die Sikh-Rupien charakteristische Blatt-Motiv gibt ebenfalls einige Rätsel auf. Welche Pflanze hier Pate gestanden hat, ist nicht eindeutig geklärt. Verschiedene Forscher bieten verschiedene Vorschläge an -
Pappel-Feige oder Buddhabaum (Ficus religiosa),
Betelpfeffer (Piper betle) und
Lotus. Gesichert ist lediglich, daß das Blatt auf den Rupien der Sikh erstmals im Jahr VS 1841 = 1784 AD erscheint und von da an durchgängig auf allen Rupien, bis im Jahr 1849 die Prägetätigkeit mit der Niederlage gegen die Briten im zweiten Sikh-Krieg und der Angliederung des Punjab an das Britische Weltreich abrupt zum Erliegen kam.
Es gibt aber noch eine recht ansprechende Hypothese für die Verwendung des Blatt-Motivs. Sie knüpft an das erste Prägejahr des Typs an: Von 1783 bis 1787 wurde der Norden Indiens, besonders der Punjab, von einer furchtbaren Hungersnot heimgesucht, in deren Verlauf ganze Städte verödeten und Kinder für Nahrung verkauft wurden. Die Gouverneure wandten - ganz im Sinne der Aufrufe seitens der Sikh Gurus - ihr persönliches Vermögen auf, um die Katastrophe einzugrenzen. So könnte in diesem Zusammenhang das Blatt als Symbol für die Bitte um Fruchtbarkeit an die Gurus auf die Münzen gelangt sein.
Si no e vero, é ben trobatto.
Gruß klaupo