Kann man ein Jahrhundert Geschichte eines fremdartigen Landes - damals Persien, heute Iran - an vier Münzen festmachen? Man kann es immerhin versuchen. Die vier Münzen, die ich hier zeigen möchte, erfassen jedenfalls die vier Dynastien, die im 18. Jh. in Persien / Iran regierten. Die Qajar, die ins 19. Jh. hinein und dann bis ins 20. Jh. regierten, habe ich außen vor gelassen. Ein Blick auf die Karte ergibt für diese Dynastien bei den Regierungssitzen ein eigenartiges kopfständiges Dreieck: eine Linie führt von
Tabriz im Nordwesten über
Teheran nach
Mashhad im Nordosten, von dort weit in den Südwesten nach
Shiraz und wieder zurück nach Tabriz. Mitten in diesem Dreieck liegt
Isfahan.
Mit
Tabriz,
Mashhad und
Isfahan läßt sich ein weiteres Dreieck aufzeigen - und dies nicht nur geographisch, sondern auch hinsichtlich der Protagonisten, welche in der ersten Hälfte des 18. Jh. die Geschicke des Landes bestimmten und u.a. die abgebildeten Münzen prägen ließen.
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In Tabriz saßen die letzten Abkömmlinge der
Safaviden, einer Dynastie, die 200 Jahre lang das Land beherrscht hatte und nun im Niedergang begriffen war. Einer ihrer fähigsten Herrscher, Abbas I. (1587-1628 AD) hatte u.a. das Münzwesen reformiert den nach ihm bezeichneten
Abbasi in Umlauf gebracht, der als Handelsmünze die folgenden 100 Jahre kursierte.
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Zitat:
Safaviden, Tahmasp II, 1135-1145 AH / 1722-1732 AD, AR Abbasi, Couplet Typ A (frei übersetzt: Durch die Gnade Allahs ließ Tahmasp der Zweite diese unter einem Glücksstern geprägte Münze für alle Welt schlagen.), Tabriz 1137 AH, 5,34 g, 25,5 mm, KM#303
An dieser Stelle ist vielleicht ein kurzer Einschub zum Schriftbild der Münzen sinnvoll. Sie zeigen im Avers mehrheitlich ein sog.
Couplet, d.h. einen zweizeiligen Vers, welcher auf den Münzherrn und seine Münze Bezug nimmt. Anhand der verschiedenen Couplets werden die Münzen nach Typen (A, B, C usw.) unterschieden, so z.B. auch im KM. Das Revers zeigt häufig die sog. ‘
Shi’ite formula’. Das ist nichts anderes als die
Kalimah, die Anrufung Allahs, mit dem Zusatz, daß Ali der Vertraute Allahs sei.
Tabriz war eher die letzte Bastion, nicht aber der Stammsitz der Safaviden. Das war
Isfahan gewesen, bis ein Pashtunenrebell, der zum Günstling am Safaviden-Hof avancierte, sich selbst zum Herrscher aufschwang und die kurzlebige Dynastie der
Hotaki / Gilzai-Afghanen 1135 AH / 1722 AD begründete. Unter seinem letzten Nachfolger wurde die folgende Münze in Isfahan geprägt.
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Zitat:
Hotaki / Gilzai Afghanen, Ashraf Shah 1137-1142 AH / 1725-1729 AD, AR Abbasi, Couplet Typ D (frei übersetzt: Das Verbrechen, die Münze von Ashraf Schah zu fälschen, kommt einer Beleidigung des Allerhöchsten gleich.), Isfahan 1140 AH, 4,37 g, 25 mm, KM#339
Ashraf Shah hatte anfangs einen fähigen General,
Nadir, der als Kind aus der Sklaverei von den Usbeken zu den Afsharen in Chorasan geflohen war und dort bei der Armee Karriere gemacht hatte. Als ihm von den Hotaki der Sold vorenthalten wurde, wechselte er zu den Safaviden und vertrieb die Afghanen aus Isfahan, Ashraf Shah wurde auf der Flucht ermordet. Tahmasp II., der Safavide, hatte jedoch ebenfalls nicht lange Freude an seinem neuen Verbündeten. Während Nadir im Osten Krieg führte, versuchte sich der Safavide im Westen an einem Krieg gegen die Osmanen und verlor dabei Armenien und Georgien. Nadir setzte ihn daraufhin kurzerhand ab, ernannte sich selbst zum Regenten und begründete wenig später seine eigene Dynastie. Als Hauptstadt wählte er
Mashhad.
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Zitat:
Afshariden, Nadir Shah 1148-1160 AH / 1736-1747 AD, AR Rupee; Couplet Typ D (frei übersetzt: Der Schah aller Schahs, Nadir, der unter einem Glücksstern Geborene, ist der Herrscher über die Herrscher des Erdkreises.), ND, Mashhad, 11,55 g, 23 mm, KM#385
Nadir Shah war ein begnadeter Militär, wenn man es positiv ausdrücken will. Krieg war sein Lebensinhalt, und seine Feldzüge führten ihn bis nach Indien, wo er in Delhi nach einem Massaker an der Bevölkerung den Thronschatz des Großmoghuls plünderte. Zu seiner Beute gehörte u.a. der berühmte
Koh-i Noor Diamant, und durch ihn gelangte der berühmte
Pfauenthron nach Persien. Was seine Persönlichkeit anbelangt, war er von ausgesuchter Grausamkeit, die auch vor seinem privaten Umfeld nicht halt machte. So nimmt es nicht wunder, daß er ebenfalls eines gewaltsamen Todes starb. Seine Dynastie überdauerte ihn nur kurz.
Das Chaos nach dem Tod von Nadir Shah wurde durch einen seiner Generäle beendet,
Karim Khan Zand. Er legitimierte sich, indem er 1757 den letzten Safaviden, ein Kind noch, krönen und sich selbst zum Regenten und bald darauf zum Shah ausrufen ließ. Seine Regierung war eine Periode der Erholung nach den endlosen Kriegen. Als Hauptstadt wählte er
Shiraz, förderte Architektur und schöne Künste, reorganisierte das desolate Finanzwesen und milderte die Besteuerung der Landbevölkerung. Unter ihm kam es im Iran zu einer Öffnung nach Westen: 1763 erhielt die
English East India Company die Genehmigung, in
Buschehr am Persischen Golf einen Handelsposten zu errichten. Diese Stadt hat in der Gegenwart wieder - unter ganz anderem Vorzeichen - Bedeutung bekommen.
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Zitat:
Karim Khan 1166-93 AH / 1753-1779 AD, AR 4 Shahi / Abbasi, Couplet Typ B (frei übersetzt: Sonne und Mond sind auf der ganzen Welt durch den Nachfolger des Propheten, des wahrhaften Herrschers über die Zeit, zu Gold und Silber geworden.), AH 1177 Shiraz 4,6 g, 22 mm, KM#515
Mit dem Tod von Karim Khan Zand im Jahr 1779 möchte ich meinen Überblick über die Geschichte Persiens im 18. Jh. beenden. Was folgte, waren erneut Thronwirren und Machtkämpfe, die mit Beginn des 19. Jahrhunderts mit dem Aufstieg der Qajar endeten, jener Dynastie, die sich bis in die Anfänge des 20. Jh. halten konnte.
Dieser Überblick hat mir einige Zeit und dem Leser einige Geduld abverlangt. Es ist ein etwas abseitiger Sammelbereich, und in den Foren habe ich nichts Vergleichbares gefunden. Aber meiner Meinung nach sind diese Münzen den Versuch wert, sie vor ihren Hintergrund zu stellen.
Gruß klaupo