Liebe Freunde,
der heutige Reisebericht ist – ich sage es gleich zu Beginn – wenig münzorientiert. Er befaßt sich vielmehr mit einer Spurensuche im ehemaligen Deutsch-Ostafrika. Trotzdem traue ich mich, ihn an dieser Stelle anzubringen.
Tanga! Es gibt Leute, die mit diesem Begriff ausschließlich eine besonders knappe Art von Slip in Verbindung bringen. Tanga ist aber auch eine Kleinstadt im Nordosten Tansanias an der Küste des Indischen Ozeans. Der vorliegende Bericht beschreibt einen Besuch im November 2006. Mit Tangas bekleidete Bade-Schönheiten habe ich an der überwiegend muslimisch geprägten Swaheli-Küste vergeblich gesucht, weshalb ich mein Augenmerk auf andere Dinge fokussieren mußte. Im Reisegepäck hatte ich ein paar alte Postkarten mit Ansichten von Tanga aus deutscher und britischer Kolonialzeit. Ich wollte mal sehen, ob man diese Ecken heute noch wiederfinden kann und wie sie heute aussehen.
Wer mich ein bißchen kennt, weiß auch, daß mich afrikanische Bahnen faszinieren. Auf einigen der alten Postkarten sind Schmalspurgleise zu sehen. Das hat mich zusätzlich zu einem Besuch Tangas animiert, einer Stadt, die heutzutage ein wenig abseits vom Weg liegt.
Aber fangen wir einmal mit der Geschichte Tangas an. Die alte Hafenstadt Tanga, eine ursprünglich persische Gründung, hatte zu Zeiten der deutschen Kolonialverwaltung eine große Bedeutung als Umschlagplatz von Handelswaren, die in der Usambara-Region erzeugt wurden. Die größten Sisalplantagen fanden sich in der Gegend von Tanga und Pangani. Mittlerweile sind die aus Sisal erzeugten Taue und Seile durch Produkte aus Kunststoff ersetzt worden. Das hat zur Folge, daß diese Region heute einen sehr verschlafenen Eindruck macht. Ich würde gerne einen Token einer Sisal-Plantage aus dieser Zeit vorstellen, habe aber leider keinen davon. Es gibt welche, die sind allerdings sehr selten und meist unerschwinglich teuer. Tanga war aber auch Ausgangspunkt der ersten deutschen Kolonialeisenbahn, der sogenannten Usambara-Bahn nach Moshi, deren erstes Teilstück 1893 eröffnet wurde. Bekannt wurde die Stadt vor allem durch die “Schlacht von Tanga“, die vom 2. bis 4. November 1914 wütete. General von Lettow-Vorbeck gelang es damals mit ca. 950 Mann, den Angriff von 8000 britischen Soldaten – vor allem aus Indien eingeschifften Truppen – abzuwehren.
Auch heute findet man in Tanga noch eine Vielzahl von Kolonialbauten aus deutscher Zeit, leider meist in sehr baufälligem Zustand. Fangen wir aber endlich mit unserer Spurensuche an:
Auf dem ersten Bilderpaar sehen wir eine Partie der ehemaligen Kaiserstraße, die heute Independence Road heißt, an der Ecke zur Straße “Am Markt“. Die Bebauung hat sich in den letzten 100 Jahren nur wenig geändert. Eine Baulücke mittig in der Zeile ist inzwischen (wieder?) aufgefüllt und auch die oberen Stockwerke und Dächer sind z.T. neu gestaltet. Auch der alte Uhrenturm von 1901, auf der Postkarte ganz links über dem Dach des Trolleywagens zu sehen, steht noch. Auf dem Bild von 2006 ist er leider durch Bäume fast vollständig verdeckt. Er funktioniert auch nicht mehr. Aber sonst ist noch ziemlich alles beim alten. Interessant sind die Gleise und Wagen der 1906 gegründeten muskelbetriebenen “Straßenbahn“ von Tanga, die auf der Postkarte zu sehen sind. Auf den 600mm-Schmalspurgleisen ließen sich die Kolonialherren in auf Lorenfahrgestellen aufgebauten Wagen von Einheimischen durch die Gegend schieben. Einige der Wagen hatten sogar ein Sonnendach. Ähnliche Bahnen gab es seinerzeit in vielen Städten Afrikas, z.B. in Mombasa, Beira und an den Viktoriafällen. Im Fall von Tanga führten die Briten den Betrieb nach Abzug der deutschen Kolonialherren bis in die 20er Jahre weiter.
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Das zweite Bilderpaar stammt ebenfalls von der Kaiserstraße, allerdings etwas weiter westlich.
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Auf dem dritten Bilderpaar kann man noch gut die alte Einfahrt zur deutschen Boma, dem Verwaltungssitz der deutschen Provinz Tanga, erkennen. Die Boma ist heute Polizeistation und darf nicht fotografiert werden.
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Die Hospital Road, auf dem Bilderpaar 4 gezeigt, heißt auch heute noch so. Sie ist eine Ausfallstraße vom Zentrum Tangas nach Nordosten in Richtung des noblen Stadtteils Ras Kazone. Wir sehen eine Brücke, die den Eisenbahnanschluß vom Bahnhof Tanga zum Hafen überquert und heute deutlich breiter ist als vor 100 Jahren.
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Diese Brücke über die Eisenbahn verleitet mich dazu, auch ein aktuelles Foto vom Bahnhof Tanga vorzustellen. Bis nach Moshi und Arusha – die Engländer haben die Strecke bis Arusha weitergebaut – gibt es nur noch Güterverkehr. Abgesehen davon fährt ein Mixed Train, bestehend aus einem Personenwagen 3. Klasse (am Bahnsteig zu sehen) und vielen Güterwagen bis nach Korogwe. Dieser Zug wird gerade von der Lok 6407, gebaut von Henschel in Kassel Anno 1978, zusammengestellt. Ich habe mir übrigens den Spaß erlaubt, damit einmal mitzufahren.
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Zum Schluß gibt es endlich ein paar Münzen. Solche aus deutscher und britischer Kolonialzeit aus Kupfer, Kupfer-Nickel, Bronze und Messing, kann man auch heute noch vor Ort handvollweise günstig erwerben. Schwieriger ist es mit Silbermünzen. Die Exemplare, die man dort vorfindet, sind allesamt sehr abgegriffen und preislich nicht viel günstiger als das, was man auf einschlägigen Auktionen zahlt. Ich habe deshalb meine Finger davon gelassen. Die drei Münzen, die Ihr auf dem Bild seht, stammen von meinem Tanga-Besuch in 2006. Links sehen wir ein 5-Heller-Stück von 1914J aus Cu-Ni (Jäger#718 / S#9 /KM#13), in der Mitte eine Münze aus der Notprägung von Tabora 1916 - Münzzeichen T – (Jäger#727b / S#18 / KM#15a) und rechts ein Stück aus der britischen Zeit in Ostafrika, einen Cent aus Bronze von 1942 unter George IV ohne Münzzeichen (S#27 / KM#29). Keine Prachtstücke und ganz und gar nicht selten, aber immerhin authentisch und persönlich mitgebracht.
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Macht’s gut
Euer Dietmar
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Heute liegt in aller Ewigkeit vor morgen. Bringe den heutigen Tag zu Ende, dann kümmere Dich um den nächsten (afrikanisches Sprichwort)