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Grafschaft Rietberg - ein paar Kupferpfennige von 1703
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Autor:  Münz-Goofy [ 14. Jun 2009, 15:18 ]
Betreff des Beitrags:  Grafschaft Rietberg - ein paar Kupferpfennige von 1703

Liebe Leute,

nach einem Taler des Bistums Paderborn, den klosterschueler überschwenglich als “Prachttaler“ gefeiert hat, gibt es heute ein paar schnöde Pfennige zum anschauen. Sie stammen aus der Grafschaft Rietberg, die an die Bistümer Paderborn und Münster sowie an die Grafschaften Ravensburg und Lippe grenzte. Heute gehört das Gebiet zum Kreis Gütersloh, einem Nachbarkreis von Paderborn. Deshalb finden sich auch gelegentlich Stücke aus Rietberg in meiner Sammlung wieder.

Die Grafschaft Rietberg existierte als selbständiges Territorium von 1237 bis 1807 und war mit gut 100 qkm und nur 8 Ortschaften (Rietberg, Kaunitz, Varensell, Bokel, Mastholte, Neuenkirchen, Druffel, Westerwiehe) eine der kleinsten Herrschaften, die in “Altdeutschland“ eigene Münzen herausgegeben haben. Die ersten Prägungen sollen unter Graf Johann I. (1481 – 1516) ausgegeben worden sein (nix genaues weiß ich nicht).

Die hier vorgestellten Münzen zu 1, 2 und 4 Pfennigen von 1703 stammen aus der Regentschaft von Graf Maximilian Ulrich, der verhältnismäßig lange, von 1699 – 1746, die Fäden in seinem Mikrokosmos zusammenhielt. Im lesenswerten Buch von Joseph Weingärtner “Beschreibung der Kupfermünzen Westfalens nebst historischen Nachrichten (Paderborn 1872)“ sind sie unter den Nummern 922, 921b und 919b aufgeführt. Der Stempelfehler beim 4-Pfennig-Stück unter den Buchstaben “FEN“ kommt auf allen mir bekannten Exemplaren vor. Diese Münze ist die mit Abstand häufigste aus Rietberg. Alle vorgestellten Pfennige wurden unter Münzmeister Johann Odenthal geschlagen, der dazumal bestellter Münzmeister der Münzstätte Rietberg war aber auch für andere Territorien (z.B. Abtei Corvey, Bistum Münster) Münzen geprägt hat. Zu seiner Zeit war er eine schillernde Figur im Münzwesen Westfalens.

Zu den Münzen von 1703 (es gibt auch ein Stück zu 3 Pfennig, das ich nicht habe) liefert Weingärtner ein paar interessante Zeilen:

“Aus dem Concepte eines Berichtes der Gräflich Ritbergschen Regierung vom 1. December 1706 an den Grafen ergibt sich, dass im Jahre 1703 für 711 Rth. Kupfer-Münzen hatten geschlagen werden sollen; in diesem Berichte ist sodann bemerkt: >>wie viel nun eigentlich von jeder Kupfer-Müntz geschlagen wurde, geruhen dieselben aus beikommenden specification zu ersehen<<. Leider findet sich aber letztere in den Acten nicht….Unzweifelhaft hatte aber der Münzmeister Odendahl den Grafen hintergangen, und nach beendeter Prägung das Münzen im eigenen Interesse fortgesetzt, und die geschlagenen Stücke dann verausgabt…“

Diese Passage wirft ein bezeichnendes Licht auf das Münzwesen in altdeutschen Gebieten zu dieser Zeit. Jeder Münzmeister machte, was er wollte. Die Rietberger Münzen wurden zur damaligen Zeit in allen Herrschaften als zweifelhaft beurteilt und auch mehrfach verrufen. Es herrschte also das, was wir heute als “Sodom und Gomorrha“ bezeichnen. Rietberg war zu Odendahls Zeiten eine typische “Heckenmünzstätte“, wie man heute so sagt.

Das Wappen auf den Münzen, der Adler, bezieht sich übrigens auf die ehemalige Grafschaft Arnsberg, von der sich Rietberg 1237 abspaltete.

Bis andermal
MG

Dateianhänge:
Rietberg_Cu-Pfennige.jpg
Rietberg_Cu-Pfennige.jpg [ 111.85 KiB | 17280-mal betrachtet ]

Autor:  Klosterschueler [ 14. Jun 2009, 16:33 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Grafschaft Rietberg - ein paar Kupferpfennige von 1703

Lieber Dietmar!

Ergänzend zu deinem wunderbaren Beitrag hab ich nach einer Internetseite gesucht, anhand der ersichtlich wird, wie zerstückelt Deutschland vor dem Wiender Kongress war: http://www.wcurrlin.de/links/basiswisse ... kartenraum

Klosterschüler

Autor:  payler [ 14. Jun 2009, 16:36 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Grafschaft Rietberg - ein paar Kupferpfennige von 1703

Wunderbarer Artikel und interessanter Link zu den Karten - man dankt dafür!

Autor:  Münz-Goofy [ 14. Jun 2009, 17:07 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Grafschaft Rietberg - ein paar Kupferpfennige von 1703

Klosterschueler hat geschrieben:
...wie zerstückelt Deutschland vor dem Wiender Kongress war...


Lieber klosterschueler,

das war wirklich so und bietet dem Sammler altdeutscher Münzen ein Faß ohne Boden. Rietberg ist übrigens auf der Karte:

http://www.lwl.org/LWL/Kultur/Aufbruch/ ... land_1803/

die kleine weiße Herrschaft im Feld 3/3 zwischen Münster und Corvey.

Gruß an alle
MG

Autor:  Gerhard Schön [ 14. Jun 2009, 17:43 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Grafschaft Rietberg

Münz-Goofy hat geschrieben:
Alle vorgestellten Pfennige wurden unter Münzmeister Johann Odenthal geschlagen, der dazumal bestellter Münzmeister der Münzstätte Rietberg war.
Nicht Johann, sondern Heinrich Lorenz Odenthal wurde von Rietberg aus für die Münzprägung beauftragt. Eine Münzstätte gab es in Rietberg damals nicht, daher wurden die Münzen von 1703 in Osnabrück und die von 1706 in Münster geprägt.
Münz-Goofy hat geschrieben:
Das Wappen auf den Münzen, der Adler, bezieht sich übrigens auf die ehemalige Grafschaft Arnsberg, von der sich Rietberg 1237 abspaltete.
Und die gekreuzten Lindenblattstiele im Brustschild sind das Wappen der Familie Kaunitz. Die Erbin der Grafschaft Rietberg war Maria Ernestine Franziska aus dem Hause Cirksena, die von 1690 bis 1758 regierte. Durch ihren Gemahl Maximilian Ulrich von Kaunitz, der auf den Münzen im Wappen, in der Titelumschrift (Zweidritteltaler 1703) und als Brustbild (Speziestaler 1703) in Erscheinung tritt, gelangte die Grafschaft 1726 an Kaunitz. Dadurch wurde der Staatskanzler von Maria Theresia (ab 1764 Reichsfürst) Wenzel Anton von Kaunitz auch Landesherr von Rietberg und ließ 1766 ebenfalls Kupfermünzen schlagen.
Gruß,
gs

Autor:  Münz-Goofy [ 14. Jun 2009, 17:59 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Grafschaft Rietberg - ein paar Kupferpfennige von 1703

Lieber Gerhard,

das sind höcht interessante Informationen. Ich besitze leider nur lückenhafte Literatur zu Rietberg und bin dankbar für jeden zusätzlichen Baustein. Was den Vornamen des Münzmeisters Odendahl angeht, werde ich nochmal recherchieren. Eine Münzstätte gab es in Rietberg auf jeden Fall. Selbst das Bistum Paderborn hat zwischenzeitlich dort Münzen schlagen lassen.

Bezüglich des Wappens hast Du mit dem Bezug zu Kaunitz garantiert recht. Herzlichen Dank für die Detail-Infos. Ich wollte anfangs nicht so sehr ins Genaue gehen und habe nur die ursprüngliche Quelle Arnsberg erwähnt.

Bis andermal
MG

Autor:  Gerhard Schön [ 15. Jun 2009, 12:21 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Grafschaft Rietberg - ein paar Kupferpfennige von 1703

Lieber Dietmar,
das wäre ja eine Überraschung, wenn man in den Jahren 1703 und 1706 in Rietberg selbst geprägt hätte. Auf die neuen Erkenntnisse bin ich gespannt.
Gruß,
Gerhard

Autor:  Münz-Goofy [ 15. Jun 2009, 18:16 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Grafschaft Rietberg - ein paar Kupferpfennige von 1703

Lieber Gerhard,

vielen Dank für Deine Korrekturen und Denkanstöße. Ich habe mich noch etwas näher mit dem Rietberger Münzwesen beschäftigt.

Du hast wohl recht, daß Anno 1703 in Rietberg nicht mehr geprägt wurde. Das geht u.a. aus der Homepage der Stadt Rietberg hervor:

http://www.rietberg.de/index.php?a=244

Da heißt es: “…Rietberger Münzen wurden bis zum 17. Jahrhundert in der danach benannten Müntestraße in Rietberg geprägt…“ (Der Straßename hat also nichts mit dem heutigen SPD-Vorsitzenden zu tun). Später wurden die Münzen offenbar anderswo geschlagen. Meine Angabe Rietberg habe ich einem Zettel entnommen, der einer Münze beilag. Woher diese Information stammt, bleibt wohl für immer unklar.

Der Vorname “Johann“, den ich dem mehr oder weniger ehrenwerten Herrn Odendahl zugeordnet habe, stimmt auch nicht, wie Du richtig feststellst. Es hieß tatsächlich Heinrich Lorenz und war ab 1699 Münzmeister in Osnabrück. Der falsche Vorname entspringt wohl einer Verwechslung mit Johann Hoffmann, der zu dieser Zeit Münzmeister in Paderborn war. Wo die Rietberger Münzen tatsächlich geprägt wurden, ist aber nach wie vor unklar, da Odendahl seinerzeit Pächter von mehreren Münzstätten war (Quelle: Wilhelm Buse, Münzgeschichte der Grafschaft Rietberg). Möglich sind Düsseldorf, Münster und Osnabrück. Im Schwede liest man, daß Kennepohl die Münzen nach Münster und Buse sie nach Osnabrück legt. Hast Du genauere Quellen?

Noch ewas zum Wappen: Der Adler verweist auf Arnsberg und die gekreuzten Blätter (es sind Seerosen- und keine Lindenblätter) auf Kaunitz.

Man sollte als Poster also besser recherchieren, als ich es bei diesen Rietbergern gemacht habe. Oder auch nicht? Weil es Hochkaräter wie Dich im Cafe gibt, die einen korrigieren und den Horizont erweitern, ist in mir die Idee gekommen, in Zukunft immer ein paar Fehler einbauen, um noch mehr zu erfahren. :D

Nochmals vielen Dank
Dietmar

Autor:  Gerhard Schön [ 15. Jun 2009, 18:20 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Grafschaft Rietberg - ein paar Kupferpfennige von 1703

Lieber Dietmar,

herzlichen Dank für die Seerosenblätter!

Viele Grüße,
Gerhard

Autor:  KarlAntonMartini [ 15. Jun 2009, 18:27 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Grafschaft Rietberg - ein paar Kupferpfennige von 1703

Weil die Formulierung so hübsch ist: Köbler beginnt den Lexikonartikel zu Rietberg so: Im Sumpf der oberen Ems nordwestlich von Paderborn errichtete eine jüngere, mit Gütern nördlich der Lippe abgefundene Linie der Grafen von (Werl-)Arnsberg im 12. Jahrhundert die Burg Rietberg...
Grüße, KAM

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