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Pseudo-Autonome Provinzprägungen
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Seite 2 von 4

Autor:  helcaraxe [ 31. Jan 2011, 22:10 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Pseudo-Autonome Provinzprägungen

Lieber Pscipo,

herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Beitrag - plötzlich wird diese Münze noch spannender! Ich meine tatsächlich jetzt (vorher waren mir diese Details gar nicht aufgefallen) so etwas wie ein Kerykeion zu erkennen, den Hermes/Herakles in der linken Hand hält. Zudem meine ich am Tier Hörner zu entdecken. Das würde Leschhorns These stützen.

Ich habe die fraglichen Bereiche mal eingekreist. Wenn das stimmt, ist es eine neue und seltsame Form des Synkretismus.

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Autor:  Pscipio [ 31. Jan 2011, 22:37 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Pseudo-Autonome Provinzprägungen

Hier das Münchner Stück. Wie gesagt: Gips und Foto sind nicht toll, an meinem Scan liegt es nicht. Kerykeion (oder doch eine Keule?) im linken Arm liegend und Widder hinter sich her ziehend könnte hinkommen, aber es ist wirklich schwer zu erkennen. Ikonographisch wäre mir eine solche Darstellung neu, aber das muss ja nichts heissen.

Lars

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Autor:  helcaraxe [ 31. Jan 2011, 22:44 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Pseudo-Autonome Provinzprägungen

Vielen Dank für den Scan!

Die Qualität des Fotos des Gipsabdruckes ist ja wirklich unter aller Kanone, da kann man wirklich nicht viel erkennen. :-( Vielleicht taucht ja mal noch ein besseres Exemplar auf!

Autor:  Pscipio [ 1. Feb 2011, 11:40 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Pseudo-Autonome Provinzprägungen

Pscipio hat geschrieben:
Zur Datierung deines Synkletos' aus Germe: Ehling hat die Zuschreibung in hadrianische Zeit von Imhoof-Blumer übernommen (I.-B., Zur griechischen und römischen Münzkunde, S. 116, Nr. 1), schreibt aber auch "die genaue Datierung dieser Mittelbronzen ist nicht möglich" (weil die zitierten Magistraten nur auf pseudo-autonomen Münzen vorkommen), Ehling S. 103. Den Artikel vom Imhoof-Blumer habe ich leider nicht zur Hand, werde aber noch nachprüfen, was er dazu schreibt.

Markus hat für mich in der SNR nachgeschaut: Imhoof-Blumer schreibt nur "Zeit des Hadrians", begründet die Zuweisung aber nicht. Ich gehe davon aus, dass er die Münze über den Stil datierte, habe gegen seine Zuweisung aber, wie oben erwähnt, Vorbehalte.

Lars

Autor:  helcaraxe [ 1. Feb 2011, 15:03 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Pseudo-Autonome Provinzprägungen

Vielen Dank auch noch dafür, ich habe meine Datierung mal korrigiert und mit einem Fragezeichen versehen.

Ich habe die Münze jetzt noch einmal in der Hand angesehen und auch unter dem Mikroskop gehabt, ich bin mittlerweile doch auch recht sicher, dass es sich um ein Kerykeion handelt, was unser männlicher Gott da in der Linken hält.

Autor:  Pscipio [ 10. Feb 2011, 08:18 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Pseudo-Autonome Provinzprägungen

Dann lasst uns mal weitermachen, so lange ich noch was "auf Lager" habe.

Pseudo-autonom, AE20, severische Zeit (?), Dokimeion, Phrygien.
Av: ΔOKIMOC, belorbeerter Kopf des Dokimos nach rechts.
Rev: ΔOKIMЄΩN, Asklepios mit Schlangenstab frontal stehend, Kopf nach links gewandt.
20 mm, 4.95 g
SNG Aulock 3547, SNG Leypold 1490 (Av. stempelgleich), SNG München 180 (beidseitig stempelgleich)

Dokimos, der hier als Gründer der Stadt geehrt wird, war ein General aus der Diadochenzeit. Perdikkas machte ihn 322 v. Chr. (also kurz nach dem Ableben von Alexander) zum Satrapen von Babylon. 319 wurde Dokimos durch Antigonos bei Kretopolis gefangengenommen und wechselte die Seiten, woraufhin er zum Strategen von Phrygien ernannt wurde. In dieser Eigenschaft gründete er die Stadt Dokimeion. Kurz vor der Schlacht von Ipsos 301 v. Chr., wo Kassander, Lysimachos und Seleukos den Antigonos und dessen Sohn Demetrios Poliorketes besiegten, wechselte Dokimos erneut die Seiten und unterstützte Lysimachos. Er scheint also wie seine wechselnden Herren ein typischer General der Diadochenzeit gewesen zu sein, an welchem Machiavelli seine Freude gehabt hätte. Immerhin scheinen ihm die mehrfachen Frontenwechsel nicht geschadet zu haben; vermutlich war er ein fähiger Offizier, der die jeweilige politische Lage gut einzuschätzen vermochte.

Interessant ist ein Vergleich zwischen meinem Stück und einer Demos-Prägung aus Prymnessos (2. Bild), welche vom Stil her verblüffend ähnlich ist. Es würde mich nicht erstaunen, wenn die beiden Stempel aus der gleichen "Werkstätte" stammen, zumal Kraft eine Stempelverbindung zwischen Dokimeion und Prymnessos (sowie Siblia) unter Caracalla als jungen Augustus kannte (3. Bild). Es ist daher verlockend, den Demos aus Prymnessos und den Dokimos aus Dokimeion in die gleiche Zeit zu datieren, was natürlich nur ein Vorschlag bleiben kann, aber stilistisch, bei allen üblichen Vorbehalten, doch passen würde (Aulock datiert den Demos über den Stil in die severische Zeit). Ikonographisch interessant ist die Angleichung der Darstellung eines hellenistischen ktistes an jene des Demos.

1. Bild: Dokimos aus meiner Sammlung
2. Bild: von Aulock, Phrygien II, Tafel 28, Nr. 916
3. Bild: Kraft, Münzprägung in Kleinasien, Tafel 82, Nr. 46a-c

Gruss, Pscipio

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Autor:  helcaraxe [ 14. Feb 2011, 11:06 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Pseudo-Autonome Provinzprägungen

Du wusstest natürlich, dass Du mich mit dieser Münze besteistern wirst! :mrgreen: So einen schönen Dokimos mit Asklepios hätte ich auch mal gern!

Autor:  Pscipio [ 25. Feb 2011, 21:37 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Pseudo-Autonome Provinzprägungen

Pscipio hat geschrieben:
1. Hadrianotherai / Asklepios
2. Attaos / Asklepios
3. Attaos / Asklepios
4. Germe / Herakles
5. Hadrianeia / Tyche
6. Hadrianeia / Artemis

Meine kleine Serie vom gleichen Aversstempel habe ich heute noch ein wenig ausgebaut. Keine neue Stadt (das wäre auch zu schön gewesen), aber immerhin ein neuer Rückseitentyp aus Hadrianeia: Artemis, die mit zwei Fackeln nach rechts eilt. SNG Aulock 1130 (beidseitig stempelgleich).

Gruss, Pscipio

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Autor:  Pscipio [ 25. Feb 2011, 22:54 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Pseudo-Autonome Provinzprägungen

Und hier noch eine Sammlergeschichte:

Bekanntlicherweise nahmen mehrere griechische Städte für sich in Anspruch, Geburtsort Homers zu sein. Eine davon war Amastris in Paphlagonien, wo in der römischen Kaiserzeit "pseudo-autonome" Münzen mit dem "Porträt" Homers geprägt wurden. Gekoppelt war die Vorderseite mit verschiedenen Rückseitentypen wie Nike, Athena, Tyche etc., die keinen weiteren Bezug zu Homer aufweisen. Eine Ausnahme aber stellt der Typus mit gelagertem Flussgott Meles dar, der eine Lyra hält (siehe 1. Foto). Klose schreibt in seinem Buch zur Münzprägung von Smyrna in der Kaiserzeit, S. 36: Nach smyrnäischer Vorstellung soll Homer ein Sohn des Meles gewesen (Kritias bei Philostr. soph. pref. (480)) oder zumindest am Meles geboren worden sein; deshalb habe er ursprünglich Melesigenes geheissen. Es ist kein Zufall, dass dieser Meles in Verbindung mit Homer auch auf Münzen aus Amastris auftaucht, wurde die Stadt doch von Smyrna aus gegründet. Auch die Lyra nimmt natürlich Bezug auf den grossen Dichter.

Leider ist es mir bisher nicht gelungen, eine solche Münze zu erwerben. Vor einiger Zeit erstand ich jedoch für wenig Geld aus einer alten Fälschungssammlung eine Kopie dieses Types (siehe 2. Foto). Auch wenn das Stück nicht aus einer Fälschungssammlung gekommen wäre, wäre aufgrund des Stiles und der Machart für den Kleinasiensammler natürlich offensichtlich gewesen, dass es kein Original sein kann. Ich hielt es jedoch für möglich, dass es sich bei dem Stück um eine relativ alte Kopie handelt (d.h. nicht aus dem 20. Jh.), die hergestellt wurde, um in einer Sammlung eine Lücke zu schliessen: die wenigen "Porträtmünzen" von Homer sind schliesslich alle selten und schwer zu finden.

Ich begann mich schliesslich etwas genauer mit diesen Prägungen auseinander zu setzen und konsultiere im Zuge dieser Recherchen bei einem Bekannten auch das 1924 postum in der SNR publizierte Werk von Imhoof-Blumer zu den Fluss- und Meergöttern (welches ich leider nicht selber besitze). Als ich mir da sein Tafelstück des Meles aus Amastris anschaute (Tf. VII, Nr. 21, siehe 3. Bild), stockte mir kurz der Atem: das sah doch ganz nach dem gleichen Rückseitenstempel wie bei meiner Kopie aus! Leider hatte ich mein Exemplar nicht bei mir, also scannte mir mein Freund das Foto und schickte es mir per email zu. Als ich, zu Hause angekommen, das Foto mit meinem Exemplar verglich, stockte mir der Atem nochmals: das war nicht nur der gleiche Rückseitenstempel, sondern es war die gleiche Münze! Offensichtlich hatte Imhoof-Blumer sie für antik gehalten und zur Illustrierung dieses Flussgottes ausgewählt. So war ich also unverhofft zu einer als echt publizierten Nachprägung gekommen und ich konnte sie damit immerhin schon bis mindestens 1924 zurück verfolgen.

Glücklicherweise lieferte Imhoof-Blumer auch einen Herkunftsnachweis zu der Münze: "Arolsen" (S. 96, Nr. 215). Meinem Freund, der mir das Werk von Imhoof-Blumer zur Verfügung gestellt hatte, verdanke ich den entscheidenden Hinweis bei der Entschlüsselung dieser Angabe: Arolsen (heute Bad-Arolsen) war der Sitz der Fürsten von Waldeck-Pyrmont, und Imhoof-Blumer bezog sich auf die bekannte Sammlung Prinz Waldeck, die in den 1930er Jahren durch die Münzhandlung Basel in mehreren Auktionen versteigert wurde. Dies passt insofern ausgezeichnet, als die Münze nach meinen Informationen für längere Zeit in einer Fälschungssammlung in Basel gelegen hat, bevor ich sie erwerben konnte. Ich vermute, dass die Münzhandlung Basel das Stück als Nachprägung erkannte und deshalb nicht verkaufte.

Prinz Christian August zu Waldeck war der jüngere Bruder des regierenden Fürsten Friedrich Karl August von Waldeck-Pyrmont (reg. 1763-1812) und ein bekannter Sammler von Antiquitäten und Münzen. Er wurde 1744 geboren und durchlief eine erfolgreiche militärische Karriere, in deren Verlauf er als Freiwilliger in der russischen Armee und später als General im österreichischen Heer diente. Er starb 1798 in Lissabon, wo er zuletzt als Oberkommandierender der portugiesischen Armee tätig gewesen war. Curtis Clay wies mich darauf hin, dass Prinz Waldeck durch Eckhel in seiner Doctrina Numorum auf S. CLXXVII als erfahrener Sammler mit gutem Auge und einer besonders prachtvollen Sammlung von römischen Sesterzen gelobt wurde.

Über Imhoof-Blumer lässt sich mein Exemplar also bis in die Sammlung Prinz-Waldeck und somit mindestens ins 18. Jahrhundert zurück verfolgen, was mich beides sehr gefreut hat. Es belegt natürlich auch genau die Vermutung, die ich ursprünglich hatte: dass es sich um eine neuzeitliche Nachprägung handeln könnte, die wohl zwecks "Lückenfüllung" hergestellt wurde.

Somit kann ich jetzt zitieren:

Neuzeitliche Nachprägung einer pseudo-autonomen Bronze aus Amastris, Paphlagonien.
Av: OMHPOC, bärtiger Kopf des Homer mit Tainia nach rechts.
Rev: AMACTPIANΩN / MEΛHC, der Flussgott Meles nach links auf einem Quellgefäss gelagert, er hält eine auf das rechte Knie gestützte Lyra in der rechten Hand, in seinem linken Arm eine Schilfpflanze.
29 mm, 12.14 g
Imhoof-Blumer, SNR 23, S. 96, 215 und Tf. VII, 21 (dieses Exemplar, als antik!)

Ex Sammlung Prinz-Waldeck.


Abbildungen:

1. ein echtes Exemplar des Types, Foto von wildwinds
2. mein Exemplar
3. Tf. VII, Nr. 21 bei Imhoof-Blumer
3. Porträt von Prinz Christian August zu Waldeck, von wikipedia (bitte nicht auf mich einprügeln :D )

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Autor:  Pscipio [ 18. Mai 2011, 19:48 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Pseudo-Autonome Provinzprägungen

Pscipio hat geschrieben:
Kerykeion (oder doch eine Keule?) im linken Arm liegend und Widder hinter sich her ziehend könnte hinkommen, aber es ist wirklich schwer zu erkennen. Ikonographisch wäre mir eine solche Darstellung neu...

... jetzt nicht mehr: http://www.cngcoins.com/Coin.aspx?CoinID=184308

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