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 Betreff des Beitrags: boiisches Kleinsilber
BeitragVerfasst: 25. Nov 2009, 17:51 
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Der Großteil des boiischen Kleinsilbers der späten La- Tenezeit ist bis jetzt unpubliziert.
Hier beginne ich mit einem frühen Obol.

Die Verbreitung dieser Münzen reicht vom nördlichen Niederösterreich bis Mähren und Böhmen.
Die meisten Belege dieses Typs stammen von der mährischen Höhensiedlung Stare Hradisko.
Die Prägereihe der Münzen auf diesem Fundort beginnt etwa mit 120 v.Chr.
Dieser Typ wurde im Zeitraum 120-80v.Chr. geprägt und stellt einen frühen Vorläufer zum Typus Karlstein dar.
Der für diesen Zeithorizont charakteristische Einsatz von Punzen zur Stempelherstellung
ist hier gut sichtbar.

Leicht geschüsselter Schrötling aus mäßig legiertem Silber.

G: 0,55g
D: 10mm

Paulsen 567 Var.


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 Betreff des Beitrags: Re: boisches Kleinsilber
BeitragVerfasst: 25. Nov 2009, 18:07 
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Auch dieser Obol ist haupsächlich auf der mährischen Höhensiedlung Stare Hradisko,
aber auch in Nemcice (Cicmar 2002) und Roseldorf gefunden worden.
Er weist zum letzten vorgestellten Stück schon eine stärkere Stilisierung auf
und der Schrötling aus legiertem Silber ist stärker geschüsselt.

Die beiden Stempel wurden fast Ausschließlich unter Zuhilfenahme von Punzen hergestellt.

Aus diesem Typ entstand später der Typus Karlstein, wie man sehr gut an den Parallelen der Reversdarstellung erkennen kann.

ca. 100-70v.

Paulsen 613
G: 0,48g
D: 8mm

Von dem Typ existieren auch subärate Prägungen.
Da ich 3 stempelgleiche Belege unter dem Mikro untersucht habe, konnte ich auf allen eine fast geschlossene Patina feststellen, jedoch keinerlei Reste einer Silberplattierung.
Ich halte diese Stücke daher für noch unversilbert und sie dürften eine Zwischenstufe in der Erzeugung der subärate darstellen.
Da der Fundort aller 3 Belege Roseldorf ist dürfte dies, so wie bei einigen Goldmünzen
ein weiterer Nachweis dafür sein, dass sich an diesem Ort eine Prägestätte zum Fälschen sowohl von- Gold, als auch Silbernominalen befunden hat.

G. 0, 29g
D. 6mm

Grüße
Harald


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 Betreff des Beitrags: Re: boisches Kleinsilber
BeitragVerfasst: 28. Nov 2009, 12:09 
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Servus Harald,

wie immer besonders hübsche und interessante Münzen, die du da vorstellst. Das Thema des boischen Kleinsilbers ist meiner Ansicht nach sowieso eines der interessantesten in der keltischen Münzkunde.
Würdest du die ganzen Sonderprägungen wie z.B. Pegasus/Stern oder Proto-Nauheimer ebenfalls den Boiern zuschreiben oder von den schon erwähnten Kleinstämmen auf boischem Gebiet ausgehen?
Und wie hältst du es mit der Datierung der 0,4-0,5g schweren Kleinsilbermünzen im Vergleich zu den schwereren Roseldorf-Obolen. 100-70 v.Chr., das wäre wohl danach. Wann setzt du Roseldorf überhaupt an?

beste Grüße
Marc


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 Betreff des Beitrags: Re: boisches Kleinsilber
BeitragVerfasst: 28. Nov 2009, 20:03 
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Hallo Marius!

Ich bin ebenfalls der Meinung, dass die Kleinsilbermünzen, die allgemein als boisch bezeichnet werden, ein äußerst interessantes Gebiet darstellen.
Die Bezeichnung boisch stammt wohl daher, dass sie von Paulsen in seinem Gesamtwerk über die boische Goldwährung erstmals umfassend publiziert wurden.
Mittlerweile ist eine Vielzahl neuer Typen und Varianten dazugekommen, was die Sache nicht einfacher macht.
Da diese Prägungen bisher noch nicht in einer archäologischen Schicht geborgen wurden,
ist man lediglich auf eine relative Chronologie angewiesen.

Geht man vom Fundspektrum der mit Roseldorf in engen Zusammenhang stehenden keltischen Siedlung von Nemcice aus, wo eine große Zahl an Roseldorf I, II und frühen Athena- Alkis Goldmünzen gefunden wurden, jedoch kein einziges boisches Kleinsilber und kein Roseldorf III, ist das zusätzlich zum Durchschnitsgewicht ein guter Anhaltspunkt für für eine Datierung.

Ein weiterer Ansatzpunkt für die Datierung ist die Form der Schrötlinge.
Diese entwickelt sich etwa ab der Mitte des 2.Jh.v.Chr. zusehens zur Schüsselform.

Die Bewohner der Flachlandsiedlung Nemcice haben um 115 v. Chr. im Zuge der
Kimbern- Teutonenangriffe ihre Siedlung verlassen und haben sich auf die Höhensiedlung
am Stare Hradisko zurückgezogen.
Genau auf diesem Platz tauchen auch die frühesten Nachweise boischen Kleinsilbers auf.

Das Kleinsilber Stern Pegasus- die Benennung gefällt mir weniger, da es sich meiner Meinung eindeutig um ein Pentagramm handelt- kann ebenfalls in den Zeithorizont 115- 80 v. datiert werden.
Das Gewicht dieses Typs reicht von 0,52- 0,34 Gramm mit einem Durchschnitt von 0,43 Gramm bei 52 erfassten Belegen.

Roseldorf I und II ist schichtdatiert in folgenden Zeitraum:
Beginn 220-210v.Chr., Ende etwa 150 v.Chr.

Die Nauheimer und Protonauheimer gehören in das erste Viertel des 1. Jh.v.Chr.

Der Typus Pentagramm wurde, so wie RIII von kleineren Stämmen auf boischem Gebiet in Niederösterreich und Wien ausgeprägt.

Die ostösterreichischen Funde von Nauheimern und besonders den Proto-Nauheimern dürften mit Wanderungsbewegungen einzelner Stämme in der späten La- Tenezeit in Zusammenhang stehen.
Über diese Problematik werden hoffentlich zukünftige Funde mehr Aussagen ermöglichen.

Grüße
Harald

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 Betreff des Beitrags: Re: boisches Kleinsilber
BeitragVerfasst: 30. Nov 2009, 19:37 
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Danke Harald,
das klingt alles sehr einleuchtend, wenn mich auch die frühe Datierung des Goldes überrascht.
Wenn ich dich datierungsmäßig noch einmal belangen darf: Wann endet die Athena-Alkis Serie und wird von der Muschelserie abgesetzt? Und geschieht dies eher abrupt oder doch fließend mit dem Stempelverschleiß.
Danke im Voraus und beste Grüße
Marc


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 Betreff des Beitrags: Re: boisches Kleinsilber
BeitragVerfasst: 1. Dez 2009, 09:32 
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Hallo Marc!

Die Athena- Alkis Serie endet mit dem von Castelin so genannten Abschnitt B.
Dieser wird in den Zeitraum 150-100v.Chr. datiert.

Das heißt es findet um die Mitte des 2. vorchristlichen Jahrhunderts
sowohl beim Kleinsilber (Ende Roseldorf I und II) als auch bei der Goldwährung
tiefgreifende eine Umstellung statt.

Ob es sich dabei um eine reine Modeerscheinung handelt oder historische Ereignisse damit in Zusammenhang stehen, ist noch ungewiß.
Da dieser Trend auch die ostkeltischen Prägungen betrifft, tendiere ich eher zur ersten Version.

Der Übergang zum Muschestater geschieht fließend durch permanenten Stempelumschnitt
und erst in der Phase Castelin B2 ab etwa ab 120 v. Chr. gibt es typische Muschelprägungen.
Auch die für diese Prägungen charakteristische Schüsselform entwickelt sich langsam in diesem Zeithorizont.

Viele Grüße
Harald

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 Betreff des Beitrags: Re: boisches Kleinsilber
BeitragVerfasst: 1. Dez 2009, 09:47 
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Hier zeige ich 2 weiter Beispiele boischen Kleinsilbers.

Bei der Nr. 1227 ist der Übergang zu den Karlsteinern durch die Reversdarstellung und die ausgeprägte Schüsselform des Schrötlings schon recht gut erkennbar.

Nr. 552:
G. 0,42g
D. 7-10mm

Nr. 1127:
G. 0,41g
D. 7mm.

Grüße
Harald


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 Betreff des Beitrags: Re: boisches Kleinsilber
BeitragVerfasst: 1. Dez 2009, 12:01 
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Servus Harald,

auch hier wieder, wunderschöne Exemplare.
Die Umstellung zum Muscheltyp scheint also eine Modeerscheinung zu sein, aber findet nicht zur gleichen Zeit die Umstellung auf den leichteren Münzfuß und somit die Karlsteiner und verwandten boischen Prägungen statt?
Dies würde doch schon auf ein historisches Ereignis hindeuten, vor allem wenn man die Aufsplittung der Kleinsilber-Prägung auf verschiedene Motive und verschiedene Prägestätten betrachtet. Deutet dies alles nicht auf einen Verlust oder jedenfalls eine Reduktion der Zentralgewalt des boischen Hauptstammes zugunsten kleinerer Nebenstämme hin?
Fragen über Fragen.

beste Grüße

Marc


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 Betreff des Beitrags: Re: boisches Kleinsilber
BeitragVerfasst: 1. Dez 2009, 15:24 
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Hallo Marius!

Die Umstellung auf den leichteren Münzfuß geschah wahrscheinlich nicht aprupt,
sondern sie vollzog sich meiner Meinung über mehrere Jahrzehnte.
Die frühen Stücke boischen Kleinsilbers sind mit einem Durchschnittsgewicht von 0,50 Gramm gar nicht so weit von den letzten Varianten des Roseldorfer Kleinsilbers (RII Varianten) entfernt.

Die späten Stücke, welche etwa um 70 v.Chr. zu datieren sind haben dann annähernd das Gewicht der Karlsteiner mit einem durchschnittlichen Gewicht von 0,35 Gramm.
Um 60 v. Chr. beginnt dann die Ausprägung der Karlsteiner, welche neben den Hexadrachmen und dem Simmeringer Typ in Bratislava geprägt wurden und offenbar Teilstücke zu den Simmeringern waren.
Den Beweis für eine Ausprägung in Bratislava lieferte ein kürzlich gefundener Prägestempel.
Damit dürften die letzten Zweifel über die Zuordnung dieses boischen Kleinsilbers beseitigt sein.
Ein weiterer Prägestempel stammt von einer Höhensiedlung im Weinviertel.

1998 wurde in der Westslowakei in Trencianske Bohuslavice ein Schatzfund von ca. 300 Stück dieses Typs gefunden.

Das Zunehmen der vermehrten Eigenprägungen kleinerer Keltenstämme in diesem Zeitraum könnte möglicherweise, wie Du angedeutet hast, mit einem Machtverlust der Boier zusammenhängen.
Es könnte jedoch auch mit einem vermehrten Bedarf nach Kleingeld innerhalb der vielen Siedlungen in denen der Handel gerade seinen Höhepunkt erlebte, in Zusammenhang stehen.
Vielleicht kamen die Boier einfach nicht damit nach, dass benötigte Kleingeld in die Grenzgebiete zu verschicken.
Viele offene Fragen und leider viele noch nicht beweisbare Erklärungen :(

Grüße
Harald

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 Betreff des Beitrags: Re: boisches Kleinsilber
BeitragVerfasst: 2. Dez 2009, 12:05 
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Servus Harald,

du denkst wirklich, dass die Karlsteiner Teilstücke der Simmeringer sind?
Da bin ich doch anderer Meinung. Alleine die weite Streuung in den Westen spricht dagegen. In Manching kommen Karlsteiner vor, aber keine Simmeringer, die Siedlung dürfte aufgegeben worden sein, bevor sich das großboische Reich mit seiner Münzprägung konstituiert hat. Ebenso die Siedlung in Neubau bei Linz. Roseldorfer, Manchinger Kleinsilber und Karlsteiner. Für mich liegen die Karlsteiner Typen in einer Phase des Machtverlusts und der Unsicherheit der Boier. Die Siedlungen wandern aus der Ebene auf befestigte Höhen. Dies ist immer ein Zeichen von Krise und nicht für wirtschaftliche und militärische Sicherheit. Die Reduktion des Münzfußes würde auch eher darauf schließen lassen, möglicherweise eine Angleichung an das System der Vindeliker bedeuten. Ich denke, dass mit dieser Entwicklung vor allem das Vordringen der Germanen und der so entstehende Druck auf die Boier zusammenhängt, der sie ja schließlich auch aus ihren angestammten Gebieten abziehen und nach dem Umweg über Norikum das Boierreich in Bratislava gründen lässt.
Die Datierung der Karlsteiner ab 70 bzw 60 klingt sehr einleuchtend. Um als Kleingeld der Großboier zu gelten fehlen mir allerdings die vergesellschafteten Funde.
Vielleicht hast du nähere Informationen über die Prägestempel aus Bratislava und dem Weinviertel? Gab es nicht auch einen Stempel aus Karlstein in Bayern? Wie sehr hängen die Prägungen der Boier, der Vindeliker und der Noriker zusammen und was läßt sich dadurch über die Beziehungen der Stämme sagen?
Das schöne an diesem Thema ist, dass die Fragen nicht ausgehen, im Gegenteil, kaum kommt man bei einer Richtung weiter, erschließen sich gleich noch mehr Unsicherheiten und Fragestellungen.
beste Grüße
Marc


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