Hallo!
Dein Sp. 119 ist ja wirklich vom Allerfeinsten. Wenn auf der kufischen Seite links nicht auch ein Kringel wäre, könnte man direkt meinen, der Stempelschneider hätte den diakritischen Punkt für das Ghain (غ(gh) غل (ghl)) gesetzt. Aber im Kufischen wird zwischen 'Ain (ع) und Ghain nicht unterschieden. Die Schleife vom endständigen Ya (ي) (natürlich ohne Punkte) von al-thani weist im Gegensatz zum Naqsh-Ya nach oben! Das und ähnliche Sauereien machen das Lesen richtig schwierig. Selbst Experten sind sich bei gewissen sizilianischen Münzen nicht immer einig, was da nun wirklich steht. Das betrifft v. a. die Randlegenden.
Schön, dass Du den eher seltenen Sp. 112 zeigst; der fehlt mir nämlich noch. Zur kufischen Inschrift muss ja nichts mehr gesagt werden.
Ehe ich ein wenig über Wilhelm II. schreibe, möchte ich noch zwei Herrscher erwähnen, die man für gewöhnlich völlig übersieht:
Der eine ist Simon von Hauteville, der zwischen Roger I. (Vater) und Roger II. (Bruder) nur 4 Jahre lang geherrscht hatte (1101-1105). Aus numismatischer Sicht ist er bedeutungslos. Es sind keine Münzen von ihm bekannt.
Der andere ist niemand Geringerer als der Sachse Lothar III., der ab 1133 Kaiser des HRR war. Nach vorausgegangenen Italienfeldzügen (1131 und 1133) hatte er 1137 Salerno eingenommen, da er als Verbündeter von Papst Innozenz II. Roger II., der ein Verbündeter des Gegenpapstes Anaklet II. war, als Feind des HRR betrachtete. Während er sich krankheitsbedingt auf den Weg nach Deutschland machte, erroberte Roger II. Salerno zurück. Lothar kam nie in Dtl. an. Im Dezember 1137 verstarb er in einem Tiroler Bauernhaus nahe Reutte. Vielleicht sollte noch erwähnt werden, dass Lothars Tochter Gertrud in zweiter Ehe mit Heinrich Jasomirgott verheiratet war.
Im Gegensatz zu Simon hatte Lothar drei Münztypen prägen lassen:
Typ 1 und 2:
Der Avers zeigt eine große Krone (unterschiedliche Ausführungen) und die Buchstabenfolge INP LOTTE. Das zweite T ist mit dem E ligiert. Am Rv ist ein Stufenkreuz (nur ein Querbalken) mit den Buchstaben IC / XC zu sehen.
Typ 3:
Am Av ist der Kopf des Kaisers zu sehen, und am Rv besagte Buchstabenfolge ohne Kreuz.
Nun aber zu Wilhelm II.:
Als Wilhelm I. starb (1166), war dessen Sohn gerade einmal 12 Jahre alt. Die Regierungsgeschäfte wurden von seiner Mutter Margaret von Navarra und deren Beratern ausgeführt. Ab 1171 regierte er selbstständig. Er soll sehr schön gewesen sein. Gut und schön: so muss es sein.
Ob nun der "böse Papa" "schiach" wie die Nacht finster war - darüber schweigen sich die Chronisten aus. Auf alle Fälle wird er schöner als ein Ork gewesen sein.
Wilhelm II. war in diplomatischen und administrativen Angelegenheiten wesentlich geschickter als sein Vater gewesen. Es kam zu einer Annäherung mit den Staufern (Friedrich I. Barbarossa), die soweit ging, dass eine Ehe zwischen seiner Tante Konstanze und Barbarossas Sohn Heinrich VI. ausgehandelt wurde. Dies sollte nachhaltige Veränderungen für das KR Sizilien mit sich bringen...*
Wilhelm II. machte auch von sich reden, indem er nicht nur Alexandria und andere ägyptische Städte angriff, sondern auch Thessaloniki und Zypern (1186), das damals unter byzantinischer Herrschaft stand. Fünf Jahre später eroberte Wilhelms Schwager König Richard Löwenherz die Insel, indem er dem Ursurpator Isaak Komnenus den Garaus machte.
Unter der Herrschaft von Wilhelm II. fanden gleich zwei Münzreformen innerhalb weniger Jahre statt. Neben anderen Veränderungen sank der Silberanteil (Silberknappheit in der zweiten Hälfte des 12 Jh.) zu Gunsten des Kupferanteils, und das Gewicht des Tari sank unter 1g (ca. 0,8g) ab. Es gab eine ganze Reihe neuer Münzen, die kaum mehr als 1,25 g wogen. Auf einem Typ ist ein schöner klassischer Greif zu sehen. Vermutlich ist dieses Stück so selten wie der abgebildete Vogel.
Nachstehendes Foto zeigt eine winzige Silbermünze, die als "Teil eines Dirhems" bezeichnet wird. Das Gewicht liegt zwischen 0,7 und 0,9g, und der Durchmesser zwischen 9 und 10 mm [Spahr 116].
Av:
المالك
غليالم
Rv:
بالله (bi-allah) durch Gott
+
المعتز (al-mu'tazz) Der Glanzvolle
Hinsichtlich der Kreuzgestaltung gibt es zwei Typen:
1.) +
2.) + mit Punkten an allen 4 Enden bzw. Tatzenkreuz (Foto)
*Da die Ehe mit Johanna Plantagenet kinderlos blieb, konnte Heinrich VI., der mit Konstanze von Sizilien verheiratet war, Anspruch auf den Thron erheben. Ein illegitimer Enkel von Roger II. machte ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung - zumindest vorerst...
Schönen Sonntag
AvP