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BeitragVerfasst: 4. Jul 2010, 22:15 
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Angeregt von taurisker und Klosterschüler versuche ich hier ein neues Thema aufzugreifen. Wenn man Numismatik mit Interesse und Neugierde betreibt, kommen einem viele interessante Tatsachen, Details, Besonderheiten und Skurrilitäten unter. Ich lade alle ein, hier solche Beiträge zu bringen. Beginnen möchte ich im Anschluss an die interessanten Beiträge von taurisker über die Münzstätte Oberzeiring und die steirischen Otakare, zu denen mein erster Beitrag als Oberösterreicher kommt.
Zu den dazu gezeigten Münzen:
1 Von Erzbischof Gebhart ist nur eine einzige Münze bekannt: CNA A28; ich hatte das Glück, das seltene Stück mit einem Lot von Pfennigen zu erwerben.
2 Otakar III. Enns, CNA B74a Brustbild mit Spitzbart und runder Haube mit Bändern Perlenkreis, rv Thronender, beide Hände erhoben, links Schwurhand, rechts Kopf, zweiarmige Leuchter mit hohem Ständer
3 Otakar III. Enns, CNA B74 noch nicht publizerite Variante, beidseitig ein Kopf.
4 Otakar IV. Fischau, CNA B67 Rosettenkreuz, innen mit vier den Bogenkreuzen aufgesetzten Kreuzen zwischen zwei Punkten. In den Außenwinkeln Punkte, Perlenkreis, Kreuzchenkranz, rv steigender Panther.
Die Textdatei befindet sich im Anhang!


Dateianhänge:
Dateikommentar: Text
Otakare.doc [27.5 KiB]
1085-mal heruntergeladen
Dateikommentar: 4 CNA B67, Fischau, Otakar IV.
CNA B67.jpg
CNA B67.jpg [ 68.87 KiB | 11203-mal betrachtet ]
Dateikommentar: 3 CNA B74a Enns, Otakar III. var.
CNA B74a var.jpg
CNA B74a var.jpg [ 70.1 KiB | 11203-mal betrachtet ]
Dateikommentar: 2 CNA B74 Enns, Otakar III.
CNA B74a.jpg
CNA B74a.jpg [ 67.77 KiB | 11203-mal betrachtet ]
Dateikommentar: 1 CNA A28 Salzburg, Gebhart
CNA A28 Gebhard.jpg
CNA A28 Gebhard.jpg [ 66.62 KiB | 11203-mal betrachtet ]

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BeitragVerfasst: 5. Jul 2010, 16:59 
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Wie Euch sicher bekannt ist, hat sich die Steiermark aus der oberen Karantanenmark (an Enns-Mürz-Mur) entwickelt. Karantanien war ja das erste Herzogtum auf dem Gebiet des heutigen Österreich und wurde später auf das Gebiet Kärntens und der angrenzenden südlichen Gebiete reduziert. Um das Jahr 1000 wurde Herzog Konrad, ein Salier, vom verfeindeten Sachsenkaiser Heinrich II. abgesetzt und das Herzogtum der begüterten Familie der Eppensteiner übergeben. Der Eppensteiner Herzog Adalbero legte sich jedoch mit Salier-Kaiser Konrad II. an und wurde von ihm abgesetzt. Die Eppensteiner verloren empfindlich an Land, kamen erst um 1090 wieder in Besitz der Herzogswürde und starben 1122 aus. Zur oberen Karantanenmark gehörten auch weite Teile Oberösterreichs bis über die Donau hinaus. Es war dies vor allem das alte slawische Siedlungsgebiet (vergl. Ortsnamen wie „Windischgarsten“ oder „Gaflenz“), das die Süd- und Nordslawen noch miteinander verband. Das Gebiet zwischen Donau und Alpen bzw. Enns und Hausruck wurde seit dem 10. Jahrhundert als „Traungau“ bezeichnet. Nach der Absetzung Adalberos übertrug Kaiser Konrad II. die Markgrafschaft über die obere Mark an Arnold aus dem alteingesessen bayerischen Geschlecht der Grafen von Wels Lambach. Dessen Sohn Gottfried errang 1042 bei Pitten (Pütten) einen Sieg über die Magyaren und konnte das Land um dieses Gebiet erweitern. Um 1050 kam es jedoch zu einer furchtbaren Tragödie. Die ganze Familie der Grafen von Wels Lambach wurde – vielleicht im Zusammenhang mit einer Fehde – ermordet. Einziger Überlebender war Adalbero, der Bischof von Würzburg, der seine Familienburg in Lambach in ein Kloster umwandelte und mit Benediktinermönchen aus Münster-Schwarzach besiedelte. Adalbereo spielte zusammen mit Markgraf Leopold II. und seinen Freunden Bischof Altmann von Passau und Bischof Gebhart von Salzburg eine wichtige Rolle im Investiturstreit zwischen Heinrich IV. und Papst Gregor VII. Ursprünglich ein treuer Vasall des Kaisers wandte er sich aufgrund des Kirchenbannes gegen den Kaiser und diverser gebrochener Versprechen zusammen mit seinen beiden Freunden der päpstlichen Partei zu. In seinen letzten Lebensjahren gründete er von Lambach aus auch das Kloster Melk.
Ob die Otakare, ein Geschlecht aus der Gegend des Chiemsees, an dem oben erwähnten Mordanschlag beteiligt waren, ist nicht sicher. Auf alle Fälle erhielten sie nach dem plötzlichen Aussterben der Wels-Lambacher den Traungau und die Markgrafenwürde und nannten die Mark nun nach ihrer Hauptburg in Steyr an der Enns „Steiermark“. Bis zur Erhebung zum Herzogtum (1180) gehörte die Mark zum Herzogtum Bayern. Die Grafschaft Pitten fiel an die Formbacher, deren Stammsitz in der Nähe von Passau lag. Sie gründeten in Neunkirchen eine eigene Münzstätte, die zunächst von den Äbten des Stiftes Formbach (Werinto, Dietrich) und später von den Grafen (Ekbert II. / III.) betrieben wurde. Erst als die Formbacher 1158 ausstarben, kam das Gebiet wieder an die Steiermark. Otakar der III. betrieb die Münzstätte in Neunkirchen noch kurz, sein Sohn Otakar IV. verlegte sie nach Fischau. Die Otakare festigten ihre Stellung in der Mark indem sie lästige Konkurrenten wie die Aribonen ausschalteten, die Vogteigewalt über zahlreiche Klöster (Admont, Garsten, Gleink, Vorau, St. Lamprecht) und vor allem das Bergregal, das Recht, Bergbau nach Metall und Salz zu betreiben an sich zogen. Der Eppensteiner Besitze dessen Großteil sie nach deren Aussterben (1122) erhielten, machte sie zu den mächtigsten Grundherren. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass das „Hin- und Herschachern“ und Vererben von Gebieten, Rechten und Besitzungen oft verwandtschaftliche Gründe hatte. So war die Gattin von Otachar/Oci, dem Vater von Otakar I. eine Tochter des Lambacher Grafen Arnold II., Otakar I. selbst war mit Willibirg von Eppenstein verheiratet und Otakar II. mit Elisabeth, der Tochter Leopolds II. (Babenberger). Deren Tochter Willibirg heiratete Ekbert II. von Formbach, usw. Die verwandtschaftlichen Bande waren aber oftmals auch wieder nicht so eng, dass man sich nicht gelegentlich auch gegenseitig die Köpfe einschlug, z.B. in der Fehde zwischen Otakar II. und seinem Bruder Adalbero.
Für die Numismatik ist natürlich die Münzstätte Enns von großer Bedeutung. Sie wurde um ca. 1145 von Otakar III. gegründet und bestand über 200 Jahre. Nach dem Aussterben der Otakare wurde auch noch unter den Babenbergern, unter Ottokar II. von Böhmen und unter den Habsburgern hier geprägt. Zu Beginn prägte man Halbbrakteaten, ähnlich dem Kremser Pfennig, unter den Babenbergern und unter den Habsburgern wurden Wiener Pfennige wie in den Münzstätten Wien und Wiener Neustadt hergestellt, bei denen teilweise die gleichen Stempelmotive verwendet wurden. Die Münzstätten kann man daher oft nur an den charakteristischen Unterstempeln, deren Abdruck leider wegen der langen Verwendungsdauer oft unkenntlich ist, unterscheiden. Am häufigsten finden wir den zurückblickenden Hirsch und den Panther. Enns hat natürlich auch von der Lösegeldaffäre um Richard Löwenherz profitiert. Hauptnutznießer war ja unser erster gemeinsamer Herzog Leopold V., der Enns, Wiener Neustadt und Wien stark ausbaute und die Münzstätten reichlich mit Silber versorgte. Aber das ist eine andere Geschichte.

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BeitragVerfasst: 5. Jul 2010, 17:00 
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Hallo otokar!

Schönen Dank.
Habe mir auch erlaubt deinen Artikel direkt ins Cafè zu stellen, er hat es sich verdient!

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BeitragVerfasst: 5. Jul 2010, 19:14 
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Vielen Dank, Payler!
Ich hätte das ja auch getan aber mir ist es nicht gelungen. Wahrscheinlich braucht man da höhere Weihen oder besseres Können um so lange Beiträge ins Forum zu bringen. Ich werde versuchen kürzer zu schreiben - aber bei geschichtlichen Beiträgen muss man ein wenig ausholen, um die Zusammenhänge klar darzustellen. Auf alle Fälle bin ich für jeden Tipp dankbar, der mir weiterhilft, mit der Forumsstruktur besser umzugehen.
Herzlich grüßt
OTAKAR

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BeitragVerfasst: 5. Jul 2010, 19:19 
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Lieber Otakar!

Lass dich nur nicht von den Tücken der Technik abhalten, so wunderbare Beiträge zu schreiben.
Wenn's notwendig erscheint stehen wir jederzeit mit Rat und Tat zur Seite.

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BeitragVerfasst: 30. Jul 2010, 22:27 
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Noch ein paar Nachträge zu meinem Bericht:
Da in den Vierziger Jahren des 12. Jahrhunderts die Stadtherrschaft in Enns unsicher war, steht auch die Zuordnung des CNA B74 an Otakar III. auf wackeligen Beinen. Hippmann bezeichnet sie daher als "Königlich?", Koch ordnet sie Otakar III. zu. Wer also damals einen Spitzbart gehabt hat, der König oder der Markgraf, darf als Münzherr gelten. Vielleicht kommt es noch heraus.
Das letzte Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts verlief äußerst turbulent. 1192 starb Otakar IV. und nach dem Georgenberger Abmachungen (1186) fiel die - inzwischen zum Herzogtum erhobene - Steiermark an die Babenberger (Leopold V.). Leopold hatte mit der Gefangennahme von Richard Löwenherz das große Los gezogen. Vom Lösegeld, das er sich mit dem Kaiser teilte, erhielt er 50.000 Mark Silber Kölner Gewichtes, was einer Menge von 11.690 kg entsprach. Er oder vielleicht bereits sein Nachfolger verlegten in dieser Zeit die Münzstätte Krems nach Wien und übergaben sie der Körperschaft der Hausgenossen, die als Vereinigung von Kapitalisten für den ungestörten Betrieb der Münzstätte zu sorgen hatten (natürlich gegen einen entsprechenden Anteil am Ertrag). Weil Leopold V. aber einen Kreuzfahrer gefangen nahm ereilte ihn der Bann des Papstes und - viele meinten ein Gottesurteil - nach einem Sturz vom Pferd 1194 der Tod. Die Herrschaft wurde unter seinen Söhnen Friedrich I. (Österreich) und Leopold VI. (Steiermark) geteilt. Als Friedrich 1198 auf einer Kreuzfahrt starb fiel das ganze Erbe Leopold zu. Er war eine herausragende, fähige Persönlichkeit und seine Regierung (1194/98 - 1230) gilt als eine der glücklichsten Epochen der Babenbergerzeit. Seine Kooperation mit dem hervorragenden Salzburger Erzbischof Eberhard II. in vielen wirtschaftlichen Angelegenheiten führte auch zu Gemeinschaftsprägungen von Pfennigen (z.B. in der Münzstätte Pettau).

LG. OTAKAR

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BeitragVerfasst: 31. Jul 2010, 08:22 
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Hallo Otakar!

Danke für die tolle Kurzfassung.

Klosterschüler

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BeitragVerfasst: 31. Jul 2010, 11:07 
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Beiträge: 1436
Ich bin Euch noch Münzbilder schuldig.
Durch den raschen Wechsel der Herzöge (zwischen 1190 und 1200) und des nicht ganz geklärten Datums der Übersiedlung der Münzstätte Krems nach Wien sind bei einigen Münzen beide Zuordnungen ungewiss.
Der Pfennig kann also noch von Leopold V. oder schon von Friedrich I. oder doch bereits von Leopold VI. sein. Er kann noch aus Krems oder schon aus Wien sein.

Hier 2 Beispiele:
Der CNA B100 ist noch ganz im Stil des Kremser Pfennigs gehalten aber bereits kleiner als der berühmte "Sirenenpfennig" aus der Zeit Heinrichs II Jasomirgott, von dem es unzählige Varianten (Beizeichen Punkte, Keile, Rosetten, Kreuze, Kleeblätter in unterschiedlicher Zahl und Kombination) gibt.
Zum Vergleich ein "alter" Kremser Sirenen-Pfennig CNA B23 A II. 1 a, betta
Der CNA B 101 zeigt auf av einen Kopf unter einem Flügelpaar, das in ein Kreuz endet, auf rv einen zurückblickenden Löwen unter einem Burggebäude. Er entspricht in Stil und Machart schon dem Wiener Pfennig unter Leopold VI. (Beispiele: CNA B109 Wien, CNA B119 Enns).
LG OTAKAR


Dateianhänge:
B 119 Enns.jpg
B 119 Enns.jpg [ 36.42 KiB | 11133-mal betrachtet ]
CNA B 109 Wien.jpg
CNA B 109 Wien.jpg [ 39.36 KiB | 11133-mal betrachtet ]
CNA B23 AII.jpg
CNA B23 AII.jpg [ 82.56 KiB | 11133-mal betrachtet ]
CNA B100 Krems od.jpg
CNA B100 Krems od.jpg [ 50.37 KiB | 11133-mal betrachtet ]
CNA B101 Krems od.jpg
CNA B101 Krems od.jpg [ 40.17 KiB | 11133-mal betrachtet ]

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