Hallo allerseits,
gestern abend bin ich nach dreiwöchigem Aufenthalt aus Zimbabwe zurückgekehrt. Derzeit bin ich dabei, meine scheibenförmigen Mitbringsel zu sichten und in die Sammlung zu integrieren. Das ein oder andere Stück ist es sicherlich wert, hier im Café vorgestellt zu werden – jedenfalls ist das meine Meinung. Ich möchte mal mit ein paar recht einfachen Plastik-Token beginnen. Um zu erklären, was es damit auf sich hat, hole ich etwas umständlich von drei Seiten her aus. Es dürfte also etwas länger werden.
Zum einen kennen wir Sammler von Geldersatzmarken das Phänomen des Kleingeldmangels sehr gut. Es hat uns in der Vergangenheit viele schöne Token beschert. Im letzten und vorletzten Jahrhundert war es nicht nur in Afrika üblich, das Wechselgeld in Form von Waren (in Italien bekommt man ja auch heute noch Süßigkeiten als Kleingeld zurück) oder privaten Token zu erhalten, mit denen man beim nächsten Einkauf bezahlen konnte. Ich hielt diese Art von Zahlungsweise zumindest für die mir bekannten afrikanischen Länder seit langem für ausgestorben. Aber die diesjährige Reise hat mich eines Besseren belehrt.
Zum zweiten erinnern wir uns, daß es – beginnend etwa 2003 – zu einer Entwertung des zimbabwischen Dollars kam, die 2008/2009 in eine Hyperinflation mündete und zur Abschaffung des ZIM-$ im April 2009 führte. Seitdem wird im Land nur noch mit “harter Währung“ bezahlt, wobei der US-$ als inoffizielle Hauptwährung dient. Im Süden von Zimbabwe wird auch südafrikanischer Rand und z.T. botswanischer Pula akzeptiert. Da US-Münzen überhaupt nicht vorhanden sind und auch südafrikanisches Münzgeld knapp ist, stehen die Händler häufig vor dem Problem, Wechselgeld herausgeben zu können.
Drittens wurden Ende 2009 nach hart umkämpfter Teilung der Macht zwischen Mugabes seit fast 30 Jahren regierender ZANU-PF und der Oppositionspartei MDC wieder unabhängige Zeitungen erlaubt. Eine davon ist die “NewsDay“, herausgegeben in Harare mit diversen Regionalausgaben. Die von mir aus zwei Stücken zusammengescannte Titelseite des Exemplars aus Bulawayo vom 18. Mai 2011 seht Ihr hier:
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NewsDay Titel.jpg [ 257.84 KiB | 14779-mal betrachtet ]
Jetzt wird es also endlich bunt und vielleicht auch interessant. Wie Ihr seht kostet ein Exemplar 0,50 US-$ oder 5 Rand. Das ist für dortige Verhältnisse preiswert, denn fast alle anderen Zeitungen kosten 1 Dollar. Die Straßenhändler – in Zimbabwe werden Zeitungen generell nur von fliegenden Händlern verkauft – standen von Beginn an vor dem oben beschriebenen Problem mit dem Wechselgeld. Jeder Kunde kam im besten Fall mit einer 1-Dollar-Note an. Das Wechselgeld von 2 Rand und 50 ZAR-Cents war meist nicht verfügbar, um den Kunden auszahlen zu können. Die Herausgeber der “NewsDay“ entschlossen sich daraufhin irgendwann anno 2010, ein Token-System einzuführen. Bezahlt ein Kunde die Zeitung mit einer Dollar-Banknote, bekommt er die Zeitung und einen Plasik-Chip (vor Ort “Cupon“ genannt), mit dem er an einem Folgetag bei einem beliebigen anderen Straßenhändler eine weitere Ausgabe kaufen kann. Perfekte Organisation! Ich bin erst kurz vor meiner Abreise hinter dieses System gestossen und habe daraufhin eine Unzahl von Händlern abgeklappert, um zu sehen, welche verschiedenen Typen dieser Token existieren. Das Ergebnis meiner Untersuchungen seht Ihr weiter unten. Möglicherweise gibt es außerhalb von Bulawayo noch andere Größen/Farben. Für Byo nehme ich aber in Anspruch, daß nichts Weiteres zirkuliert. Ich habe die gesamte Innenstadt in einer Art von Rasterfahndung abgegrast.
Der mit Abstand häufigste Typ (wir reden hier von einem Anteil > 95%) ist ein grauer Token mit einem Durchmesser von 40,7 mm und einem Gewicht von 5,20 Gramm:
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ZW HRE NewsDay grau ohne ND.jpg [ 98.22 KiB | 14779-mal betrachtet ]
Daneben gibt es noch einen Typ gleicher Abmessung, der auf der Rückseite die Buchstaben ND für “NewsDay“ trägt. Zunächst hatte ich vermutet, daß der Aufdruck bei den Exemplaren mit blankem Rv einfach nur abgerieben ist. Aber bei allen Stücken des ersten Typs, die ich in den Fingern hielt, gab es keinerlei Spuren eines Aufdrucks auf der Rückseite.
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ZW HRE NewsDay grau mit ND.jpg [ 85.29 KiB | 14779-mal betrachtet ]
Außer diesen großen grauen Cupons findet man – wenn auch selten – kleinere Exemplare in blau und gelb ohne Aufdruck auf dem Rv. Diese lassen die Schieblehre bei 25,0 mm stoppen und bringen 1,46 Gramm auf die Waage:
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ZW HRE NewsDay blau.jpg [ 131.14 KiB | 14779-mal betrachtet ]
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ZW HRE NewsDay gelb.jpg [ 62.35 KiB | 14779-mal betrachtet ]
Jetzt seid Ihr erlöst und könnt Euch wieder Themen widmen, die aus numismatischer Sicht garantiert wichtiger sind als profane afrikanische Plastikchips. Ich habe es aber für angebracht gehalten, ein solch fast vergessenes Phänomen der Geldersatzmarken, besonders weil es erst letztes Jahr wieder eingeführt wurde, an dieser Stelle vorzustellen.
Liebe Grüße
MG
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Heute liegt in aller Ewigkeit vor morgen. Bringe den heutigen Tag zu Ende, dann kümmere Dich um den nächsten (afrikanisches Sprichwort)