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BeitragVerfasst: 6. Dez 2009, 22:29 
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Wirklicher Hofrat
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Hallo allerseits,

riecht Ihr was? Wenn nicht, seid froh, daß es noch kein Geruchs-Internet gibt. Weiter unten gibt es die Auflösung, warum ich diese ungewöhnliche Einleitung wähle.

Bevor ich näher zum hier vorgestellten Token-Wrack komme, wollen wir der Geschichte des Unternehmens Larkan erstmal Schritt für Schritt nachgehen. Wir befinden uns in Südafrika, in Umzimkulu, einem Distrikt in der heutigen Provinz Eastern Cape. Benannt ist der Landstrich nach einem Fluß, der früher die Grenze von Griqualand East zu Natal bildete. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war dieses “ Griqualand East“ eine Art Homeland, wo vor allem die “Griquas“, Mischlinge aus Schwarzen, Buschmännern und Buren, angesiedelt wurden. 1872 kamen die irischen Einwanderer John Robert William Larkan und George Larkan hierher und kauften eine Farm von 3200 Hektar, die Bont Rand, die über viele Generationen in Familienbesitz blieb. Die Gesetzeslage in Griqualand East war seinerzeit so, daß die Einheimischen die ihnen zugewiesenen Parzellen selbst bewirtschaften durften, die Hälfte des Ertrages aber an den Grundstückseigentümer abtreten mußten, der seinen Anteil wiederum auf den Märkten verkaufte. Den Larkans erschien diese Prozedur auf Dauer zu umständlich und uneinträglich, da die Menschen, die auf Bont Rand wohnten und arbeiteten, nur soviel produzierten, wie sie selbst brauchten. Deshalb entschloß sich John Robert Larkan, die Kleinbauern gewissermaßen anzustellen und zu bezahlen. Natürlich nicht ohne Hintergedanken. Die Entlohnung erfolgte zunächst in Form von Gutscheinen, ab 1906 mit Token aus Aluminium in den Nominalen 3 und 6 Pence sowie 1 und 2 Shillings. Gleichzeitig wurde ein erster Laden auf Bont Rand eröffnet, in dem mit den Token eingekauft werden konnte. Der ausgezahlte Arbeitslohn floß auf diese Weise wieder in die Taschen der Larkans zurück. Später wurden noch vier weitere Shops (Cupar, Stafford, Cancele und Pikinin) in der Umgegend aufgemacht, nachdem die Familie Larkan zusätzliche Ländereien erworben hatte. Die für die einzelnen Läden gültigen Token wurden mit Stempelungen auf der Rückseite unterschieden, wobei die Marken des Stammgeschäftes Bont Shop ohne Stempel blieben. Vorbild für dieses System war der deutlich größere Betrieb Strachan & Co., der ebenfalls in Umzimkulu ansässig war und bereits seit 1874 auf Token setzte. Die Strachen-Token sind viel bekannter und häufiger als die von Larkan. Anno 1929 wurden alle Larkan-Shops an Strachan verkauft und die Token somit ungültig. Sie wurden aber von der Familie Larkan aufgehoben. Zehn Jahre später siedelten die Larkans in die Gegend von Donneybrook in Natal um und eröffneten die Farm “Thorninghurst“, wo die Token bis 1955 wieder in Verwendung kamen. Der damaliger Besitzer, Robert Percival Larkan, packte in diesem Jahr seine Sachen und zog nach Durban um. Zuvor vergrub er jedoch seine Token auf Thorninghurst. Die Stücke waren also knapp 50 Jahre in Verwendung.

Zugegeben, eine lange Geschichte. Sie ist aber noch nicht zu Ende. Wir kommen jetzt zu meiner “anrüchigen“ Bemerkung zu Anfang dieses Berichtes. Der Ort, an dem R.P. Larkan den Beutel mit seinen Alu-Token versteckte, war nichts anderes als eine Latrinengrube. Scott Balson, ein Sammler und Experte von südafrikanischen Token und bekannt durch seine alles sprengende website

http://www.tokencoins.com/

stand in den 1970er Jahren in Briefwechsel mit R.P. Larkan und erfuhr dadurch den Ort des Tokengrabs. Im September 1977 machte er sich auf, den Schatz zu heben und wurde auch fündig. Sein Bericht zur Ausgrabung in dieser alten Latrine, bei dessen Lesen man selbst ins Schwitzen kommt, aber auch nicht aus dem Lachen heraus, findet man hier:

http://www.tokencoins.com/larkan.htm

Dort ist auch - noch ausführlicher als an dieser Stelle – die Geschichte der Larkans dargestellt.

Insgesamt buddelte Balson 1427 Token der vier Nominale aus. Bei insgesamt 2000 hergestellten Stücken ist das eine außerordentlich gute Ausbeute. Die meisten davon waren allerdings total korrodiert. Das Exemplar, das ich hier vorstellen möchte, stammt garantiert aus diesem Latrinenfund. Ich habe es direkt von Scott Balson erworben und freue mich schon über Eure Kommentare zum Erhaltungszustand. Besonders die braunen Flecken, dürften lästernde Bemerkungen zur Folge haben Bild Es sollten aber lediglich Korrisionsspuren sein.
Dateianhang:
ZA_Umzimkulu Larkan 2Sh.jpg
ZA_Umzimkulu Larkan 2Sh.jpg [ 200.03 KiB | 13574-mal betrachtet ]

Ärgerlicher ist, daß ein Teil der Oberfläche abgeplatzt ist. Aber egal, ich bin froh, daß ich einen Larkan habe. Der Durchmesser beträgt übrigens 26,0 mm und das Gewicht 1,75 Gramm.

Von den Stücken zu 2 Shillings sind übrigens insgesamt 400 Exemplare hergestellt worden, von denen Scott 326 Stück im Klo gefunden hat. Außerdem berichtet er noch über 19 weitere bekannte Exemplare, die anderswo aufgetaucht sind. Im Hern firmieren sie unter H#326a.

Ich hoffe, daß ich mit dieser etwas unappetitlichen Geschichte nicht den Abend des 2. Advent verderbe, aber die Vorweihnachtszeit muß ja nicht immer nur nach Lebkuchen und Glühwein duften.

Zum Abschluß noch ein kleines Gedicht vom ebenfalls rührigen südafrikanischem Sammler Allyn Jacobs aus 2006:

Dung-bespattered though they be,
The Larkans are a joy to see!
Staffords with their backside etched,
Reek of mielies that we retched...
Long years they mouldered in latrine,
And but for you were never seen!

Einen schönen Abend wünscht
Dietmar

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BeitragVerfasst: 6. Dez 2009, 22:48 
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Schöne Geschichte. Pecunia non olet! Grüße, KarlAntonMartini


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BeitragVerfasst: 6. Dez 2009, 23:05 
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Wirklicher Hofrat
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KarlAntonMartini hat geschrieben:
Pecunia non olet!

Diesen Ausspruch Vespasians kann ich nicht so stehen lassen. Geld stinkt doch! Besonders die kleinen Banknoten in Afrika. Die werden von den Mamas nämlich mangels Geldbörse (im besten Fall) unter den Achseln - oder auch sonstwo - aufgehoben und transportiert. Wenn man diese Scheine als Wechselgeld in die Finger bekommt, kann man manchmal gar nicht anders als Bild

Schönen Advent
Dietmar
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BeitragVerfasst: 6. Dez 2009, 23:38 
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Hallo MG,

ein sehr schöner Beitrag! Gratuliere! Ich wollte auch gerade meine Bemerkung zum stinkenden Geld machen, da hast Du als alter Afrikaner diese schon vorweggenommen. Übrigens, nehmt nie Geld von einer Meme, die in einer Fast Food Kette arbeitet. Da sie ja die Buletten der Einfachheit halber unter der Achsel rollt, wird das Geld inzwischen woanders geparkt......

:lol:

Euer südwester

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BeitragVerfasst: 7. Dez 2009, 00:05 
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*graus* - Also Banknoten nur bankfrisch sammeln!


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BeitragVerfasst: 7. Dez 2009, 00:15 
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Wirklicher Hofrat
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KarlAntonMartini hat geschrieben:
*graus* - Also Banknoten nur bankfrisch sammeln!

... und vor Ort immer nur passend zahlen

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BeitragVerfasst: 7. Dez 2009, 07:44 
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k&k Hoflieferant, Professor
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KarlAntonMartini hat geschrieben:
*graus* - Also Banknoten nur bankfrisch sammeln!


Der enorme Geldverfall, damit meine ich nicht unsere Inflation von ca. 8%, sondern wirklich das Zerfallen der mit weiß was alles getränkten Geldscheine, hat auch einen Vorteil. Wenn der Sammler am Geldautomaten mit seiner EC-Karte Geld zieht, bekommt er fast immer druckfrische Scheine! Kleiner Tip für Namibiabesucher! 8-)
Auch die Großmärkte schütten jede Woche neue Münzen aus.

Gruß, südwester

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BeitragVerfasst: 7. Dez 2009, 21:35 
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k&k Hoflieferant, Professor

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Hallo Dietmar.

Das ist, bzw. war, eine tolle Geschichte. Da sind nachweislich aus Sch... Rosinen gemacht worden.
Wo doch überall Gescheinbündel eingerollt werden können. War mir nicht so bekannt...

Besonders toll fand ich auch den:
Münz-Goofy hat geschrieben:
Bild


Ginkgo

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"Wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht, ist es sinnlos, miteinander Pläne zu machen." Konfuzius


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BeitragVerfasst: 8. Dez 2009, 18:31 
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Doktor

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Beiträge: 130
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Moin,

Irgendwie kommen mir bei diesem Thread Erinnerungen hoch an eine Grundsatzdiskussion, die ich einstmals mit mir selbst :headbang:
führen musste:

Ist es irgendwie gefährlich, Token von Leprakolonien in die Sammlung aufzunehmen? Da gibt es ja schöne Stücke aus Kolumbien, Venezuela und den Philippinen zum Beispiel.

Letztlich ging die Debatte unentschieden aus. ;)
Die Token sind in der Sammlung. Meine Gliedmaßen sind noch vollzählig und vollständig vorhanden :mrgreen:

Gruß
Hanjogo

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schwer hat man's leicht


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BeitragVerfasst: 8. Dez 2009, 18:48 
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Das wiederum erinnert mich an die Geschichte eines älteren Bekannten von mir:

Er sollte als Student mithelfen, ein altes Tuberkulosesanatorium zu entrümpeln, das aufgelöst werden sollte. Dabei sollte auch die über Jahrzehnte gewachsene sehr gute Bibliothek des Sanatoriums zur Müllverbrennung gehen (schließlich hatten alle Leser irgendwann mal Tuberkulose).

Dieser Bekannte jedoch zweigte große Teile der Bibliothek für sich ab (darunter sehr schöne und seltene Werke bis ins 18. Jahrhundert). Das ist jetzt über vierzig Jahre her, die Bibliothek meines Bekannten ist prächtig und Tuberkulose hat er nie bekommen. :D

_________________
Viele Grüße
helcaraxe
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Meine Galerie: Römische Provinzbronzen (ausbaufähig... ;-))


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