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BeitragVerfasst: 9. Jul 2012, 21:27 
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Doktor

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Chippi hat geschrieben:
Dann helfe ich mal aus.

Gruß Chippi


Merci !

Grüsse, Kronerogøre


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BeitragVerfasst: 16. Okt 2012, 22:15 
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Doktor

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Arnold Zweig : ” Junge Frau von 1914 ”

Dieses Buch bildet zusammen mit ” Streit um den Sergeanten Grischa ” und ” Erziehung vor Verdun ” eine Triologie, in denen Zweig den 1. Weltkrieg anhand von Einzelschicksalen schildert.

Hauptpersonen des Romans sind Werner Bertin und Leonore Wahl. Bertin ist abgebrochener Lehramtsstudiuosus und freier Schriftsteller,aus Schlesien stammend, Leonore Wahl eine Tochter aus einer vornehmen Potsdamer Bürgerfamilie, die sich das Kunststudium in München ertrotzt hat. Dort hat sie Bertin kennengelernt, zu dem sie eine nach ihrer Rückkehr nach Berlin halb hinter dem Rücken ihrer Eltern fortgeführte Beziehung unterhält.
Bertins Einberufung stellt ihn und Leonore mit einem Mal vor die Frage, wie sie angesichts der Ungewissheit durch den Krieg ihr Leben dauerhaft verbinden können, wohl wissend, dass die gesellschaftlichen Schranken hoch und die Vorurteile der Wahls gebenüber einem mittellosen Künstler aus der tiefsten Provinz noch viel höher sind.

Der Krieg entfesselt seine eigene schicksalshafte Dynamik. Am Tage vor Bertins Verlegung an die Front, fällt er über Leonore her, das Kind, das so gezeugt wird, treibt Leonore ab, ihre Zuneigung zu Bertin schlägt in Hass um, allmählich wenden sich ihre Gefühle ihm jedoch wieder zu. Leonores Eltern beginnen nach und nach mit dem Gedanken zu spielen, dass ein Schwiegersohn im Feld nicht das Schlechtste sei , zumal die familieneigene Firma um Rüstungsaufträge buhlt. Auch denkt man an den eigen Sohn David, einen Oberprimaner, den man gern von der Einberufung zurückstellen möchte.Warum den eigenen Sohn drangeben, wenn der Eingeheiratete notfalls draufgehen kann ?

Interessant fand ich in diesem Buch die Erwähnung des Geldes . Bertin, der mittellose Literat, nennt Geld stets nur theoretisch sein eigen. Die 600 Mark, die er nach seiner Einberufung als Vorschuss für eine Veröffentlichung erhält ,stehen auf einem Girokonto. Der Giralverkehr machte zu dieser Zeit bereits einen beträchtlichen Teil des Geldverkehrs aus. Auch die 5000 Mark Mitgift, mit der seine Schwiegereltern in spe ein Konto für ihn einrichten, damit er zumindest auf dem Papier etwas vorzuweisen hat, sind nicht greifbar. Einzig seinen Sold, 51 Pfennig pro Tag ,hält er in der Hand, wenn er in Serbien Strassen baut oder in Frankreich Gräben schippt.

Zur Hochzeit stecken Wahls ihrer Tochter drei Tausenmarkscheine in die Tasche . Von den Schwiegereltern, kleinen Handwerkern aus Schlesien, bekommt sie ( nicht etwa Bertin ) lediglich hundert Mark in die Hand gedrückt, allerdings handelt es sich um fünf goldene Zwanzigmarkstücke, die Bertins Vater “ sich und er Reichsbank halb abgetrotzt hat “. Zweig merkt an, dass diese hundert Mark letztendlich das wertvollere Geschenk darstellen würden, doch dass die Brautleute dies zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen konnten.

Worauf spielt Zweig an ? Auf die Inflation 1923 ? Oder auf die Zeit nach 1933 ? Sowohl die Bertins ,als auch die Wahls sind Juden. Sollen diese fünf Füchse einmal ihr gesammtes Kapital sein auf der Flucht aus dem Deutschland, das weder Bertins Kunst noch seinen Einsatz als Frontkämpfer anerkennen wird ?

Zweig erwähnt natürlich nicht, um welchen Typ Zwanzigmarkstück es sich handelt, doch unter Hinweis auf den Titel des Buches stelle ich eine preussische Doppelkrone vom Typ “ Uniform “ ein, die gegen Ende des Prägejahres 1913 das seit 1888 verwendete Kaiserportrait ablöste. Die Auflage für 1913 ist unbekannt, 1914 wurden 6 Millionen geprägt, 1915 nochmals 1,2 Millionen. Der Jahrgang 1915 wurde überhaupt nicht mehr ausgeben, 1913 und 1914 vermutlich nur in geringer Zahl, denn die Reichsbank begann zu diesem Zeitpunkt Gold zurückzubehalten und vermehrt Banknoten in den Umlauf einzuspeisen. Mit Kriegsausbruch erlosch die Goldeinklösepflicht dann , jedoch gab es keine Ablieferungspflicht für Gold. “ Gold gab ich hin – Eisen war mein Gewinn “ war ein selbstauferlegter Zwang, einem Apell an das Gewissen folgend. Und ebendiesem Gewissen trotzte Vater Bertin fünf Füchse ab, um sie seinen Kindern als Mitgift für eine bessere Zukunft mit auf den Weg zu geben.
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BeitragVerfasst: 17. Okt 2012, 12:02 
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Professor

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Vielen Dank kronerogøre für diesen lesenswerten, literarischen Beitrag!

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Bauftragter des Numismatisch Beratenden Ausschusses Telefonwertmarken der Mitgliedsstaaten der Warschauer Vertragsorganisation des Zentralkomitees des Numismatik-Cafés Österreichs


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BeitragVerfasst: 17. Okt 2012, 13:26 
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Moin Kronerogøre!

Auch ich möchte mich mal für Deine tollen Beiträge in diesem Thread bedanken. Ich lese sie mit Genuss und - ungemünztem ;) - Gewinn.

Tschüß, Afrasi

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BeitragVerfasst: 18. Okt 2012, 11:17 
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Mitglied der geheimen Hofkammer

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Da Kronerogøre so schön die letzten Goldpreußen erwähnt, stelle ich meinen einfach mal mit dazu.

Gruß Chippi


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Wurzel hat geschrieben:
@ Chippi: Wirklich gute Arbeit! Hiermit wirst du zum Byzantiner ehrenhalber ernannt! ;-)

Münz-Goofy hat geschrieben:
Hallo Chippi, wenn du... kannst, wirst Du zusätzlich zum "Ottomanen ehrenhalber" ernannt.
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BeitragVerfasst: 19. Okt 2012, 07:53 
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Doktor

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Vielen Dank für Eure Antworten, es freut mich, dass Euch die " numismatische Rezension " gefällt. Ich las das Buch neulich mal wieder , die letzte Lektüre fand noch in der Zeit statt, bevor ich mein Interesse für Münzen wieder aktiviert hatte und in dieser " münzlosen Zeit " machte die Erwähnung des Geldes vermutlich gar keinen Eindruck auf mich, denn es war eine schöne Überraschung, als ich nun auf dieses sinnbildliche Verwendung von Papier und Metall stiess.


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BeitragVerfasst: 8. Nov 2013, 19:01 
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Hofrat

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Dem schönen Aufsatz:

Claude Daburon, Numismatik im Haus am Frauenplan. Splitter aus Goethes numismatischen Schaffen. In: Hubert Emmering (Hrsg.), Vindobona docet. 40 Jahre Institut für Numismatik und Geldgeschichte der Universität Wien 1965 - 2005. Numismatische Zeitschrift 113-114 = Veröffentlichungen des Institutes für Numismatik und Geldgeschichte der Universität Wien 10, Wien 2005, 457-469.

entnehme ich folgendes Gelegenheitsgedicht Goethes, mit dem er sich am 10. Juli 1820 bei Henriette von Beaulieu und deren Tochter Caroline (Line / Lina) Gräfin von Egloffstein für einen Antonian bedankte:

Der Heiden-Kaiser Valerian

Der Heiden-Kaiser Valerian
hat es mir niemals angetan;
in seinen sehr konfusen Zeiten
Mocht ich ihn keineswegs begleiten:
Denn ob ihn schon durch göttlich Walten
(Die Münze sagt's) Apoll erhalten,
So sehen wir doch allzu klar,
Wie jammervoll sein Phöbus war.

Da er nun aber zu meinem Frommen
Soll von so lieben Händen kommen,
So mach ich ihm ein freundlich Gesicht;
Gute Christen, die täten's nicht.
Mutter und Tochter mögen's entschuldgen,
Beiden werd ich für ewig huldgen.

Praktischerweise hat sich die Münze in Weimar erhalten:
Dateianhang:
Valerianus I - Goethe.jpg
Valerianus I - Goethe.jpg [ 102.76 KiB | 12756-mal betrachtet ]

(Daburon 2005, Abb. 4).

Beste Grüße,
Docisam

PS: Ofenbar neigte der Geheimrat nicht dazu, seine Münzen allzu sehr zu putzen (Faust / Walpurgisnacht):

Das ist es ja, was man begehrt
Der Rost macht erst die Münze wert.


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BeitragVerfasst: 9. Nov 2013, 09:18 
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k&k Hoflieferant, Wirklicher Hofrat
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Registriert: 18. Mai 2009, 18:26
Beiträge: 2753
Bilder: 281

Wohnort: Nürnberg
Toll!!

Tausend Dank für diesen Beitrag, den ich mit großem Genuss gelesen habe. Es ist doch schön, wenn man sich mit seiner Leidenschaft für Münzen in Goethes Gesellschaft weiß (auch wenn ich nicht dichten kann...)!

_________________
Viele Grüße
helcaraxe
----------------------
Meine Galerie: Römische Provinzbronzen (ausbaufähig... ;-))


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BeitragVerfasst: 9. Nov 2013, 10:17 
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Mitglied der geheimen Hofkammer
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Beiträge: 2972
Wohnort: Dresden
Das paßt vielleicht nicht so ganz: Beim Buchhändler hab ich neulich erworben: Strümpel, Jan: Geld und Gute Worte, Schriftstellerporträts auf Münzen von Homer bis Beckett., Göttingen: Steidl, 2008.

Das Buch stellt Münzen vor auf fast 70 Schriftsteller. Die Porträtseiten der Münzen sind abgebildet und von einem Kurzporträt des Schriftstellers begleitet. Die älteste vorgestellte Münze ist von 1923, aber die 500 Lire Stücke auf Vergil und Horaz sind sicher auch für Antike-Sammler einen Blick wert.

Ein ideales Buch, um Nicht-Münzsammlern zu zeigen, was in der Numismatik stecken kann. (Meine Frau hat es gleich gelesen) Grüße, Karl Anton Martini


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BeitragVerfasst: 9. Nov 2013, 16:13 
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Wirklicher Hofrat

Registriert: 26. Mai 2009, 21:47
Beiträge: 1035
Bilder: 35
Illustrieren kann ich den Titel des Aufsatzes mit einem Blick auf das Goethe-Haus am Frauenplan, von dem hier die Rede ist - es ist das gelbe Haus im Hintergrund. Kombiniert habe ich das Bild mit einer Medaille von Carl Seffner.

Gruß klaupo


Dateianhänge:
1806_Weimar_Frauenplan_C_Seffner_2.jpg
1806_Weimar_Frauenplan_C_Seffner_2.jpg [ 98.57 KiB | 12731-mal betrachtet ]
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