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BeitragVerfasst: 9. Feb 2015, 22:14 
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Der Missionar und Entdecker David Livingston erreichte den Malawi-See (damals: Lake Nyasa) 1859 und befand das südlich des Sees gelegene Hochland, die Shire Highlands, als geignet für eine Besiedlung durch Europäer. In den folgenden 20 Jahren ließen sich verschiedene anglikanische und presbyterianische Missionsgesellschaften dort nieder. Im Jahre 1876 wurde in Blantyre eine kleine Missions- und Handelssiedlung eröffnet. Zwei Jahre später wurde schließlich die African Lakes Company Limited für den Handel und den Transport in dieser Gegend Afrikas gegründet. Die Gesellschaft arbeitete dabei eng mit den Missionsgesellschaften zusammen.
Da auch die Portugiesen an diesem Teil Afrikas nicht uninteressiert waren, wurde 1883 Sir Henry „Harry“ Hamilton Johnston als britischer Konsul nach Blantyre geschickt, der hinter dem Rücken der portugiesischen Regierung Verträge mit den einheimischen Autoritäten abschloss. Im Jahre 1889 wurde das Gebiet der Shire Highlands als britisches Protektorat ausgerufen, welches zwei Jahre später unter dem Namen British Central Africa Protectorate auf das gesamte Gebiet des heutigen Malawi ausgedehnt wurde. Zehn Zivilbeamte, zwei Offiziere, 70 Sikhs aus Indien und 85 Träger aus Sansibar verwalteten dieses Gebiet von 94.000 km² und ein bis zwei Millionen Menschen. Das Protektorat wurde 1907 in Njassaland (Nyasaland) umbenannt.
Eugene Charles Albert Sharrer kam 1888 aus Hamburg nach Blantyre mit dem Vorsatz dort Handel zu treiben. Er trat sofort in die Dienste von John Buchanan, der dort schon seit 1881 Handelsgeschäfte betrieb. Er machte sich jedoch bald selbständig und betrieb den Handel mit Elfenbein, der bis 1893 das Hauptexportgut des Protektorates darstellte. Hierzu gründete er die Groß- und Einzelhandelsfirma Kubula Stores Limited.
Als 1893 alle Elephanten abgeschlachtet waren und kein Nachschub an Elfenbein mehr verfügbar war, hatte Sharrer schon vorgesorgt und besaß große Ländereien und war der erste, der Kaffee, Tabak und sogar Baumwolle im Protektorat anbaute. Er war einer der führenden Landeigner und gründete schon 1891 die Shire Highlands Planters Association, deren Vorsitzender er auch war, als Interessenvertretung der Großgrundbesitzer gegenüber der Regierung. 1895 fusionierte man mit der rivalisierenden Naysaland Planters Association zur British Central Africa Chamber of Agriculture and Commerce, welche großen Einfluss auf die Politik hatte.
Zudem besaß er Sharrer's Zambezi Traffic Company, die auf den Flüssen Shire und Sambesi den Transport abwickelten. Portugal hatte den Briten 1890 erlaubt in Chinde im Sambesi-Delta einen Hafen zu errichten, der von Seeschiffen angelaufen werden konnte. Von dort wurden Waren und Passagiere dann auf die Flussdampfer umgeschlagen. Die African Lakes Company besaß dort sechs Schiffe und Sharrer's Zambezi Traffic Company drei weitere. Nach durchschnittlich 7 Tagen an Bord war man auf den Schiffen von etwa 20 bis 30 t im Protektorat angekommen.
Im Jahre 1902 gründete Sharrer die British Central Africa Company Ltd., in die seine Ländereien, seine Schiffahrtslinie (1903 aufgelöst), die Kubula Stores und die Shire Highlands Railway Company Ltd. überführt wurden. Die Eisenbahngesellschaft sollte das Gebiet mit dem Flusshafen Chiromo verbinden. Die Pläne dazu wurden 1895 veröffentlicht. Sharrer hatte dafür gesorgt, dass die geplante Route weitgehend über seine eigenen Gebiete führte, wogegen die African Lakes Company heftig protestierte. So verzögerte sich der Baubeginn bis 1903. Sharrer wurde Direktor auch dieser Gesellschaft und blieb es auch, als die Gesellschaft später umbenannt wurde in Central Africa Railway Company Ltd. Er war sowohl Direktor als auch Mehrheitsaktionär und auch Harry Johnston bekam einen Direktorenposten ab.
Bald danach verzog er dauerhaft nach London, wo er nach Ausbruch des I. Weltkrieges als Deutscher interniert wurde. Während dieser Haft verstarb er. Die Kubula Stores Ltd verloren den Wettbewerb mit den dörflichen "Mandala“-Geschäften der African Lakes Company und wurden in den 20er Jahren an den Konkurrenten verkauft.


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Zuletzt geändert von Afrasi am 10. Feb 2015, 11:29, insgesamt 1-mal geändert.
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BeitragVerfasst: 10. Feb 2015, 09:47 
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Applaus! - Ist das Stück aus Kunststoff oder Kupfer? Grüße, KarlAntonMartini


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BeitragVerfasst: 10. Feb 2015, 11:51 
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Das Stück hat einen Durchmesser von 30,4 mm und ist aus Bakelit oder einem ähnlichen frühen "Kunststoff". Im Hern ist es nicht verzeichnet. Ich habe noch Stücke zu 2d, 4d und 8d in meiner Datenbank. Dieses Nominal zu 2 Sh ist mir bislang nur durch ein Exemplar im British Museum bekannt gewesen.
Diese Dinger sind dermaßen selten, dass ich meine Suchfunktionen gar nicht mit ihnen belastet habe. Aber ein australischer Sammlerfreund war aufmerksam und wies mich auf die Auktion hin. Das Internet ist schon was Gutes!

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BeitragVerfasst: 10. Feb 2015, 17:36 
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Solche Bakelit-Token wurden nach dem 1. WK viel von britischen Straßenbahngesellschaften verwendet. Wer da Hersteller war, weiß ich nicht. Der Schrifttype nach, scheint es ein frühes Exemplar zu sein. Vor 1910 gab es sowas definitiv nicht. Grüße, KarlAntonMartini


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BeitragVerfasst: 10. Feb 2015, 18:12 
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Über die Herstellungszeit habe ich auch schon gebrütet. Durch die Erwähnung von British Central Africa dürfte der Token nicht vor 1891 hergestellt worden sein, die Umbenennung des Protektorates in Nyasland erfolgte 1907. So ist eigentlich der Zeitraum von 17 Jahren für diese Token als Herstellungszeit eingegrenzt.

Jedoch: Die Bakelite GmbH wurde erst 1910 gegründet. So muss es sich entweder um einen früheren "Kunststoff", das Zelluloid, handeln, oder der Token „verweigerte“ sich hartnäckig dem neuen Namen Nyasaland. Letzteres würde bei traditionell eher konservativ bis stur einzustufenden Großgrundbesitzern auch nicht wirklich verwundern.

Zudem würde ich zu gern noch mehr über das "deutsche" Vorleben des Herrn Sharrer herausfinden, bin bislang aber gescheitert.

Bei der Frage, was man den nun in diesen Kubula Stores kaufen konnte, bin ich ein winziges Bisschen weiter gekommen und kann es in ein paar Tagen zeigen.

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BeitragVerfasst: 10. Feb 2015, 22:27 
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Die Umbenennung der Kolonie muß nicht der letztmögliche Herstellungszeitraum sein. Die British Central Africa Co. Ltd. existiert heute noch und betrieb bis in die 20er Jahre die Kubula Stores. Der Herr Sharrer (Scharrer?) ist in der Tat ein Mysterium; ebenso, daß die britischen Behörden nach seinem Tod keine Erben ausfindig machten, dann ging alles an die Krone... - Möglicherweise wollte man um 1916 auch nicht so gründlich suchen. Oder Scharrer war unter falschem Namen über Hamburg ausgereist. Er behauptete ja später, eingebürgerter Brite zu sein, was ihm aber nach 1914 in London keiner abnahm. Die dort zuständige Institution, der Public Trustee dürfte dazu noch die Akten haben, also auf ins britische Staatsarchiv...
Grüße, KarlAntonMartini


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BeitragVerfasst: 10. Feb 2015, 23:25 
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KarlAntonMartini hat geschrieben:
Die dort zuständige Institution, der Public Trustee dürfte dazu noch die Akten haben, also auf ins britische Staatsarchiv ...


Ich werde dort wohl eher nicht persönlich aufschlagen, aber ich kenne jemand, der sich dort öfter auf der Suche nach nicht umgesetzten Münzentwürfen der Royal Mint herumtreibt. Einige davon habe ich hier schon mal vorgestellt. Vielleicht schaut der Kerl sich ja mal für mich und für die Ehre seines Vaterlandes dort um. :book: :book: :book: :book: :book: :book: :book: :book: :book: :book: :book:

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BeitragVerfasst: 10. Feb 2015, 23:37 
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Beschrieben hat das Stück Chris Lasalle in Moneta 2011, S. 98
http://www.ons-sno.ca/Moneta_2011_04_PV.pdf - Seine Auffassung zur Herstellungszeit teile ich nicht, aber er hat den interessanten Hinweis, daß bei Spink in den 50er Jahren die Stücke auftauchten.
Das englische Standesamtsregister gibt nichts zu Eugen Scharrer oder Sharrer her. Nur ist 1917 ein Herbert Tobias Scharrer verstorben, immerhin 200.000 Pfund schwer, der in Surrey und Buenos Aires ansässig war. Geboren war er 1857 in Australien und vermutlich israelitischer Konfession. Ein Eugen Scharrer war von 1894-1897 in Londoner Wählerverzeichnissen eingetragen. Grüße, KarlAntonMartini


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BeitragVerfasst: 11. Feb 2015, 00:14 
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Das ist doch schon mal eine Menge. Herzlichen Dank! Vielleicht kann ich mit diesen Daten etwas im Auswandererhaus in Bremerhaven anfangen.

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BeitragVerfasst: 11. Feb 2015, 21:42 
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Was konnte man nun in diesen Kubula Stores kaufen? In Mocambique erhielten die europäischen Händler über ihre Cantinas - wie ich in meinem Aufsatz zu Ranchordas Odha schrieb - "Cashewnüsse, Erdnüsse, Hirse, Kolumbawurzeln (auch: Ruhrwurzeln; heilkräftige, rübenförmige Wurzeln eines weinartigen Klettergewächses; vor allem genutzt gegen Ruhr und andere Durchfallerkrankungen), Sesam und Wachs von den Afrikanern im Tausch gegen Kleidung (Capulanas) und ein paar Industrieerzeugnisse, wie zum Beispiel Kerosin, Töpfe und Pfannen, Hämmer und Nägel, Messer und andere Dinge mehr." Sehr viel anders wird es auch hier - nur wenig weiter westlich - gewesen sein. Durch Zufall entdeckte ich im Netz etwas über "andere Dinge mehr":


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