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Hungerjeton https://numismatik-cafe.at/viewtopic.php?f=22&t=4226 |
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Autor: | otakar [ 2. Feb 2012, 23:11 ] | |||
Betreff des Beitrags: | Hungerjeton | |||
In einer Medaillenschachtel habe ich den interessanten Jeton entdeckt. Er bezieht sich offenbar auf die Hungerjahre 1816/1817 mit katastrophaler Geldentwertung. Auf AV eine relativ freizügig bekleidete Mutter mit 2 Kindern und dem Text: O GIEB MIR BROD MICH HUNGERT: Auf RV wird mit einer Waage offenbar die Teuerung verglichen: 1 Mas Bir 8 1/2 Kr(euzer). Was unter den Waagschalen steht ist mir nicht ganz klar. Rechts 1 tt 3 L; Links 12 Kr(euzer). Und der sinnige Text: VERZAGET NICHT GOTT LEBET NOCH: OTAKAR
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Autor: | ischbierra [ 3. Feb 2012, 00:59 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Hungerjeton |
Hallo Otakar, das ist eine Medaille von Thomas Stettner aus Nürnberg. Lit.: Brettauer 2008 Gruß ischbierra |
Autor: | KarlAntonMartini [ 3. Feb 2012, 09:49 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Hungerjeton |
1 Pfund 3 Lot? - Interessant, daß der Bierpreis thematisiert wird. Grüße, KarlAntonMartini |
Autor: | +EPI+ [ 3. Feb 2012, 10:59 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Hungerjeton |
Hier nette Tabellen zur Bierpreisentwicklung in Chemnitz (Die Preise wurdem vom Rat der Stadt festgelegt, also staatlich kontrolliert). http://www.digitalis.uni-koeln.de/docs. ... 30-236.pdf Besonders interessant die letzte Tabelle (3). Hier wird mit einem Preisindix zum Jahr 1786 gearbeitet. Man sieht, dass in der Enphase der napoleonischen Kriege (möglicherweise speziell in Sachsen: Völkerschlacht bei Leipzig + Sachsen als Verlierer) der Bierpreis für 1 Liter gestiegen ist und 1815 zurückging. Dann stieg er 1817 wieder kräftig an und sinkt innerhalb von 2 Jahren wieder rapide (Indices): 1813: 156,5 1814: 159,7 1815: 135,5 1816: 143,5 1817: 171,0 1818: 148,4 1819: 117,7 |
Autor: | Chippi [ 3. Feb 2012, 13:11 ] | ||
Betreff des Beitrags: | Re: Hungerjeton | ||
Hallo otakar, dieser Jeton befindet sich auch in meiner Sammlung. Er bezieht sich auf den Hungerwinter 1816/17, 1816 ging ja als Jahr ohne Sommer in die Geschichte ein - Schuld war ein Vulkanausbruch des Tambora 1815. http://de.wikipedia.org/wiki/Jahr_ohne_Sommer Meiner war ursprünglich mal versilbert, die 12 Kreuzer dürften sich auf die Brotpreise beziehen. Zu der Zeit waren Brot/Getreide und Bier die Grundnahrungsmittel. Gruß Chippi
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Autor: | Klosterschueler [ 3. Feb 2012, 19:52 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Hungerjeton |
Bisserl abseits der Numismatik: Extrem harte Winter hab es auch einige Jahre früher: 1783/84, als der Laki-Krater auf Island ausbrach und Tonnen von Schwefelstaub über Europa verbreitete. Mein Schulfreund Dr. Christian Neuhuber hat die Mundartlieder des Lambacher Paters P. Maurus Lindemayr beforscht, der diese Naturkatastropphe in einen 16strophigen Lied besingt. www.uni-graz.at/ains2www_unizeit11_2_web.pdf Klosterschüler |
Autor: | otakar [ 3. Feb 2012, 22:14 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Hungerjeton |
Herzlichen Dank euch allen für die interessanten Beiträge. Wenn der Jeton in Nürnberg geprägt wurde, hat er wohl mit dem Staatsbankrott 1811 während der napoleonischen Kriege nichts zu tun. Damls gab es ja eine fürchterliche Geldentwertung, die die Bevölkerung durch den mehrmaligen verlustreichen Umtausch von Papiergeld (Banco Zettel - Einlösescheine -Antizipationsscheine) um das ganze Vermögen brachte und vor allem ärmere Schichten in tiefe Armut stürzte. Die Repressalien der Obrigkeit (Metternich) führten in der Folge zur Flucht "nach innen", ins Biedermeier. Ich teile auch die Ansicht, dass es sich bei den Gegenständen in den Waagschalen bzw. den Gewichts- und Preisbezeichnungen um Brot handelt - vielleicht soll ein Vergleich zum Bier gezogen werden. Welchen Zweck hatten eigentlich solche Jetons? Als Geldersatz, Spielgeld,?? Meiner ist übrigens noch tadellos versilbert. LG OTAKAR |
Autor: | KarlAntonMartini [ 4. Feb 2012, 00:04 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Hungerjeton |
Um diese Zeit waren das die Medaillen des kleinen Mannes und sehr populär. Ich denke, daß man sie auch verschenkte anstelle von schwerem Silber. Nach überstandener Gefahr erinnert man sich ja durchaus gern daran. Heute wird die "bäuerliche Landwirtschaft" ja romantisch verklärt, daß dann ein Vulkanausbruch gleich zu einem Hungerwinter führte, wird dabei vergessen. Grüße, KarlAntonMartini |
Autor: | +EPI+ [ 5. Feb 2012, 17:36 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Hungerjeton |
Klosterschueler hat geschrieben: Bisserl abseits der Numismatik: Extrem harte Winter hab es auch einige Jahre früher: 1783/84, als der Laki-Krater auf Island ausbrach und Tonnen von Schwefelstaub über Europa verbreitete. Im Februar 1784 gab es dann eine Wärmewelle und dann schlimmer Überschwemmungen. In Köln beispielsweise wurden 13,55m Kölner Pegel gemessen, normal 3,48m /3,21m. ("Der Pegel wurde so definiert, dass beim Pegelstand ”Null” in einer Fahrrinne von mindestens 150 Meter Breite noch mindestens ein Meter Wassertiefe gewährleistet ist." http://www.steb-koeln.de/klnerpegel.html ) |
Autor: | otakar [ 6. Feb 2012, 23:34 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Hungerjeton |
+EPI+ hat geschrieben: Klosterschueler hat geschrieben: Bisserl abseits der Numismatik: Extrem harte Winter hab es auch einige Jahre früher: 1783/84, als der Laki-Krater auf Island ausbrach und Tonnen von Schwefelstaub über Europa verbreitete. Im Februar 1784 gab es dann eine Wärmewelle und dann schlimmer Überschwemmungen. In Köln beispielsweise wurden 13,55m Kölner Pegel gemessen, normal 3,48m /3,21m. ("Der Pegel wurde so definiert, dass beim Pegelstand ”Null” in einer Fahrrinne von mindestens 150 Meter Breite noch mindestens ein Meter Wassertiefe gewährleistet ist." http://www.steb-koeln.de/klnerpegel.html ) 1784 wird auch in Linz ein großes Hochwasser durch schwere Schmelzwässer und Eisstau verzeichnet. Der Zusammenhang mit dem kalten Sommer und dem folgenden strengen Winter (große Schneemengen) ist hier offensichtlich. OTAKAR |
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