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Französische Jetons https://numismatik-cafe.at/viewtopic.php?f=22&t=2756 |
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Autor: | klaupo [ 25. Nov 2017, 21:29 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Französische Jetons |
Die beiden folgenden Jetons des Dekanats der medizinischen Fakultät Paris weisen einige Besonderheiten auf. Beide Stücke sind vermutlich Anfertigungen im Sammlerauftrag, d.h. nicht gekennzeichnete Abschläge (Refrappes) von den Originalstempeln. Das obere Stück ist zudem ein Hybride (Zwitter, engl. Mule), d.h. eine Stempelkopplung von zwei verschiedenen Jetons, deren Originale in diesem Fall nicht einmal im selben Jahr geprägt wurden. Man erkennt im Revers dieses Stücks, daß im Exergue das Prägejahr (im Original 1725) getilgt wurde. Als Refrappe ist es leicht zu erkennen, da es sich um eine Kehrprägung handelt. Das untere Stück weist die übliche französische Wendeprägung auf, ist bei Feuardent gelistet und daher nicht eindeutig als Refrappe anzusprechen. Dateianhang: Zitat: Oben: Faculté de médecine de Paris, Hyacinthe-Theodore Baron, père (1686 - 1758), Doyen 1731 / 1732. Av. Buste à droite. Insc. H. T. BARON F. M. P. DECANUS 1731 32. Signé JCR (Roettiers). Feuardent 4564. Rev. États de Bourgogne, La majorité du roi. (Burgund, Die Oberhoheit des Königs) Jeton 1725. Soleil au-dessus d'un cadran solaire (Sonne über Sonnenuhr). Insc. REGIT ME ET DIRIGIT ORBEM. (Sie herrscht über mich und lenkt den Erdkreis) Exergue: 1725. AR. Feuardent 9836 (Cu). 9,41g, 29,5 mm. Hybride. Original für das Avers s. hier. Original für das Revers s. hier. Unten: Faculté de Médecine de Paris. Hyacinthe-Theodore Baron, fils (1707-1787), Doyen 1751-1754. Av. Son buste à droite, signé D.V. (Du Vivier) HY . THEOD . BARON . DECANUS. Rv. URBI . ET . ORBI. SALUS. (Der Stadt und dem Erdkreis Gesundheit) Armes de la faculté. Les trois cigognes. (Wappen der Fakultät mit den drei Störchen) À l'exergue FACULT . MEDIC . PARIS . 1754. 7,35 g, 28,5 mm. Feuardent 4613 AR8. Original s. hier Die französischen Beschreibungen sind für beide Jetons fehlerhaft. Dargestellt sind zwei Personen (Baron pater 1730 - 1734, Baron filius 1750 - 1754). Ihre Amtsperioden werden jedoch beide dem Senior zugeordnet. Ich habe meine Beschreibungen daher erweitert, indem ich das verwandtschaftliche Verhältnis und die Lebensdaten zugefügt habe. Andernfalls hätte der Eindruck entstehen können, der Junior habe bereits im zarten Alter von drei Jahren seit 1710 den Arztberuf ausgeübt, und das ist doch recht unwahrscheinlich. Beide Barons kamen aus einer Familie, aus der über einen Zeitraum von ca. 150 Jahren immer wieder Ärzte hervorgegangen waren. Der jüngere Baron war als Arzt bei mehreren Feldzügen im Einsatz gewesen, ehe er an die Universität wechselte. Er hinterließ u.a. einen mehrbändigen chronologischen Katalog, welcher alle Pariser Ärzte seit dem 13. Jh. erfaßte. Dem älteren Baron gelang während seiner Amtszeit ein wegweisende Reform der medizinischen Fakultät. Dazu muß man wissen, daß zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Medizin als Arzneimittel-Heilkunde studiert und praktiziert wurde. Daneben gab es separat die Chirurgie, die den operativen Bereich für sich in Anspruch nahm. Die beiden Berufszweige standen in erbitterter Konkurrenz zueinander - den Medizinern wurde der Zugriff auf das erforderliche Arbeitsmaterial - Leichen für die Sektion - verwehrt. Baron hob diese Trennung auf, indem er den Studiengang Anatomie mit abschließendem Examen in das Studium der Medizin einfügte. Als Studienmaterial dienten damals Gehenkte, auch Diebstähle auf Friedhöfen waren üblich. Eine Zeitlang überfielen die Studenten auch Leichenzüge der jüdischen Gemeinden. Diese fanden jedoch bald einen einfachen Weg, um die Diebstähle zu unterbinden: Sie verlegten ihre Leichenzüge in die frühen Morgenstunden, denn da pflegten die Studenten noch zu schlafen. Auf diese Reform des älteren Baron wurde ebenfalls ein Jeton verausgabt. Der Club français de la médaille ließ diesen Jeton 1981 bei der Monnaie de Paris nachprägen. Er zeigt im Revers rechts eine Amputation, links eine Obduktion mit dem Wappenschild der Fakultät im Vordergrund. Dateianhang: Die Grafik ist entnommen dem Bulletin numéro 70/71 - Premier trimestre 1981, p. 131 des Clubs. Zu den Begriffen Kehr- bzw. Wendeprägung und deren Ersetzung durch eindeutigere Bezeichnungen s. folgenden Link: https://www.coingallery.de/Varia/Stempelstellung.htm Gruß klaupo |
Autor: | Spezie01 [ 24. Jul 2018, 12:16 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Französische Jetons |
Immer ein Genuß deine Artikel mit den Hintergründen zu lesen. |
Autor: | ischbierra [ 24. Jul 2018, 15:02 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Französische Jetons |
klaupo hat geschrieben: "Man kann sich die Frage stellen, auf wen oder was dieser Arzt seine Blitze schleuderte. Natürlich auf die Krankheit. |
Autor: | klaupo [ 25. Mär 2019, 17:13 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Französische Jetons |
Am 6. August 1682 wurde der erste Enkel von Ludwig XIV. - Louis, Herzog von Burgund und ab 1711 Dauphin von Frankreich - in Versailles geboren. Die Abgeordneten aus Burgund, die sich zu diesem Zeitpunkt in Paris befanden, gaben auf dieses freudige Ereignis umgehend die Herausgabe eines Jetons in Auftrag. Da der König als die Sonne galt, entschieden sie sich bei der Wahl des Motivs für das erste Sternbild des Tierkreises – den Aries oder Widder, der den Neubeginn des dynastischen Kreislaufs symbolisieren sollte. Die Legende war eine seltsame Schmeichelei: «Einer der Götter trägt meinen Namen». Mit dem Göttlichen gemeint war natürlich der Großvater, Louis XIV., der Sonnenkönig, verbunden mit der Namensgleichheit des Neugeborenen. Dateianhang: Zitat: BOURGOGNE (ÉTATS DE ...) Jeton (AE 28, 7,19 gr) Naissance du petit-fils de Louis XIV 1682. Av. COMITIA BURGUNDIAE (Die Stände von Burgund) Rechteckiges Wappen von Burgund aufgelegt auf hermelinbesetztem Mantel. Rv. NOSTRVM VNI EX SVPERIS NOMEN (s. oben: «Einer der Götter trägt meinen Namen») , Widder mit Sternen belegt (Sternbild Aries) auf dem Sternkreis ruhend nach r. Exergue: 1682. Font. 38; Feuardent 9817 Dieser Jeton ist u.a. deshalb interessant, weil die Kosten für seine Fertigung detailliert aufgelistet und erhalten geblieben sind. Zum besseren Verständnis des Folgenden: In Frankreich rechnete man bis zur Revolution wie in England nach dem Duodezimalystem: 1 Livre = 20 Sols = 240 Deniers (d.h. 1 Pound = 20 Shilling = 240 Pence). Der Ecu galt 3 Livres. Der Graveur des Königshauses, Charles Jean-François Charon (1635-1698), der auch die Stempel des Jetons schnitt, erhielt für die anfallenden Arbeiten 8.221 Livres 16 Sols, die sich wie folgt verteilten. 3.722 Livres 2 Sols 6 deniers, für 200 Jetons in Gold, die für den Fürsten von Condé und den Herzog von Enghien bestimmt waren; 4,117 Livres 16 Sols 4 deniers, für 121 Mark 5 Gros an Silber, zu je 34 Livres die Mark, einschließlich der Kosten für die Verarbeitung. Ferner 270 Livres für 90 Beutel Kupfer zu je 100 Jetons, zum Kurs von 3 Livres je Beutel; zuzüglich 100 Livres für die Verarbeitung der Jetons und 12 Livres für Wein an die Arbeiter, welche die Prägung der Jetons durchführten. Die Beutel wurden von H. Tresneau geliefert und kosteten 392 Livres 10 Sols. Wenn ich richtig gerechnet habe, beliefen sich die Kosten für die Herstellung eines Kupfer-Jetons auf ca. 1 Sol – 7 Deniers. Der Tageslohn eines Arbeiters betrug im Jahr 1670 20 Sols. Nachzutragen bleibt, daß die Thronfolge des Hauses Bourbon mit dieser Geburt keineswegs gesichert war. Ab 1711 wurde der französische Hof von einer Serie von Todesfällen heimgesucht. Nach dem Tod seines Vaters verstarb auch Louis, Herzog von Burgund, der hier angesprochene Enkel, im Jahr 1712 fast zeitgleich mit seiner Frau und seinem ältesten Sohn an einer Seuche (Masern oder Scharlach ist ungeklärt). Als 1714 auch sein zweiter Sohn starb, änderte Louis XIV. im August sein Testament, ehe er im September selbst verstarb. Es überlebte nur sein jüngster fünfjähriger Urenkel, der als Louis XV. die Thronfolge antrat. Gruß klaupo |
Autor: | klaupo [ 17. Feb 2020, 22:14 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Französische Jetons |
Die folgenden Stücke thematisieren ein zentrales Ereignis der französischen Revolution. Dateianhang: Zitat: L'Exécution du Roi. Gegossene Zinnmedaille 1793 auf die Hinrichtung des Königs. Av. DER DOOD VON LUDWIG XVI KÖNIG VON FRANKREICH. Kopf Louis XIV. nach l. (im Halsabschnitt Signatur C.I.M. / C.L.M.?) Rv. Guillotine mit der Leiche des Königs, r. hält ein Soldat den Kopf des Königs in die Höhe, l. steht der Abbé Edgeworth , Beichtvater des Königs, mit gefalteten Händen. Exergue: 17 – 93. 44,5 mm. Hennin 466. Trésor Tf. 41.10. Slg. Jul. 257. Hennin verlegt die Herkunft der Medaille nach Holland. Das Wort „DOOD“ findet sich jedoch in dieser Schreibweise auch im Niederdeutschen, und der Buchstabe „Ö“ in „KÖNIG“ ist meines Wissens im Niederländischen unbekannt. Die Auflösung der Signatur (C.I.M. / C.L.M.?) ist bislang ungeklärt. Zum Hintergrund der Medaille hat Hennin einen etwas umfangreicheren Überblick gegeben. In den Jahren 1793 und 1794 wurde in Frankreich keine einzige Medaille auf den Tod des Königs gefertigt – die Regierung erteilte dazu keinen Auftrag. Außerhalb Frankreichs dagegen wurden solche Medaillen in großer Zahl geprägt und waren weit verbreitet. Der schreckliche Eindruck, den der Tod des französischen Königs hinterließ und die anschließende Verehrung zu seinem Gedächtnis gaben in allen Hauptstädten Europas Anlaß zur Herausgabe derartiger Medaillen und Jetons. Einen derartigen Jeton, bei dem sich der Hersteller für das Portrait des Königs am Ecu der Constitution (Abb. unten) orientierte, zeige ich hier: Dateianhang: Zitat: LOUIS XVI Le roi martyr 1793, Nuremberg. Av. LUD. XVI REX GALLIAR DEFUNCTUS. Büste des Königs nach l. Darunter IETTON. Rv. SOL REGNI ABIIT (Die Sonne des Königreichs ist untergegangen) Urne zwischen Krone und Zepter. Exergue DEN 21 IAN 1793. 19 mm, BR vergoldet. F. 13474, Hennin 480. Anm. Hersteller war vermutlich Johann Christian Reich d. Ä. (1730-1814) aus Fürth, da Varianten dieses Typs mit „R“ respektive mit „REICH“ signiert sind. Zeitgenössischen Berichten der Zeitungen zufolge fand man diese Medaillen und Jetons in den Taschen gefallener und gefangener gegnerischer Soldaten und insbesondere bei Emigranten. Man trug diese Stücke, die in großer Zahl geprägt wurden, als schmerzliches Andenken zusammen mit solchen vom 16. Oktober des selben Jahres, die den Tod des Königs und der Königin zum Thema hatten. Eine solche Medaille (in sehr schwacher Erhaltung) auf den Tod der Königin kann ich hier ebenfalls vorstellen. Sie ließ sich problemlos auflösen. Dateianhang: Zitat: L’Exécution de la reine Marie Antoinette. Zinnmedaille 1793 (von Mainwaring) auf die Hinrichtung der Königin Marie Antoinette. Av. MARIE ANTOINETTE REINE DE FRANCE. Ihr Brustbild r., darunter Signatur W. M. Rv. IMMOLÉE – PAR LES FACTIEUX – LE 16 -OCT – 1793 --- PLEURÉS ET - VENGÉS LA! (Hingemordet – durch die Aufrührer – am 16. Oktober – 1793 – Beweint (sie) und – rächt sie!) in fünf Zeilen. 33 mm. Henn. 538. Trésor Tf. 46.4. Slg. Jul. 338. Ein besser erhaltenes und lesbares Exemplar gibt es hier: https://www.acsearch.info/search.html?id=410056 Als das Regime der „Terreur“ vorüber war, wurden während des Direktoriums die Darstellungen Ludwigs XVI. wieder zahlreicher. Zwar prägte man keine Medaillen zu Ehren dieses Fürsten, aber man fertigte diverse Clichés und Repoussés. Während des Consulats wurden die Portraits noch einmal zahlreicher. Den Überblick habe ich aus dem Französischen übertragen nach: Michel Hennin, Histoire numismatique de la révolution francaise, Band 1, p. 316 Gruß klaupo |
Autor: | Afrasi [ 17. Feb 2020, 22:34 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Französische Jetons |
Toll! Vielen Dank! Du hast die seltene Gabe Stücke, die mir nichts sagen würden, zum Reden zu bringen. |
Autor: | KarlAntonMartini [ 19. Feb 2020, 19:06 ] |
Betreff des Beitrags: | Re: Französische Jetons |
Danke für Zeigen und Erläuterung! Forrer hat die Signatur nicht, aber vielleicht wollte der Künstler hier vorsichtshalber eine falsche Fährte legen? Grüße, KarlAntonMartini |
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