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 Betreff des Beitrags: Re: Französische Jetons
BeitragVerfasst: 4. Apr 2015, 11:07 
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Wirklicher Hofrat

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An dieser Stelle möchte ich auf einen Thread verweisen, der - thematisch passend - auf ein umfangreiches Sortiment an französischen Jetons verweist:

viewtopic.php?f=22&p=53903#p53903

Darin findet sich u.a. auch der folgende Jeton der Feuerversicherungen der Stadt Lille, Hauptstadt des Departements Le Nord.

Dateianhang:
1851_Lille_Assurance_Lecomte_n.jpg
1851_Lille_Assurance_Lecomte_n.jpg [ 111.25 KiB | 18861-mal betrachtet ]

Assurances incendie Lille – Le Nord, Jeton octogonal en argent 1851. La Securité, appuyée sur un autel, contemple une maison en reconstruction à droite, une autre en feu derrière elle. (Securitas, auf einen Alter gestützt, weist auf ein im Bau befindliches Haus, links hinter ihr an ein anderes Haus in Flammen) Signé A. LECOMTE LILLE 1851.
R/. ASSURANCES CONTRE L'INCENDIE ORDONNANCE ROYAL DU 24 FÉVRIER 1840. Au centre: LE NORD dans une couronne de laurier et de chêne. Poinçon main ARGENT. Gayl. 460

Gruß klaupo


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 Betreff des Beitrags: Re: Französische Jetons
BeitragVerfasst: 5. Apr 2015, 17:05 
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Wirklicher Hofrat

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Auf der vorigen Seite dieses Threads habe ich einen Hochzeits-Jeton aus dem 18. Jh. vorgestellt. Hier möchte ich nun auf eine Gruppe von gleichgearteten kleinen Medaillen bzw. Jetons aus dem 19. Jh. eingehen, die immer mal wieder auftauchen und auch in der oben verlinkten Liste zu finden sind. Aufgrund ihrer Häufigkeit lassen sie auf eine weite Verbreitung schließen, aufgrund ihrer Randpunzen auf jahrzehntelange Prägung. Aus eben diesen Gründen haben sie nur bescheidenen Marktwert, welchem ja, wenn sie angefragt werden, in den meisten Fällen das Hauptinteresse gilt. Die hier vorgestellten Stücke kommen ausnahmslos aus den Silberkisten diverser Münzhändler.
Dateianhang:
1844-1880_Medaille_Mariage_n.jpg
1844-1880_Medaille_Mariage_n.jpg [ 115.05 KiB | 18847-mal betrachtet ]

Links: AMOUR ET MARIAGE Mariage chrétien, Gayrard (1777-1858)
Av. Priester segnet kniendes Brautpaar in antiker Gewandung. CONNUBIUM CHRISTIANUM.
Rv. Kranz aus Rosen, Gravur: DL (?), Rand: 24. 9BRE 1864, Poinçon (Abeille) ARGENT, 33 mm, 15,83 g Terisse 703

Mitte: AMOUR ET MARIAGE à l'Évangile de St Mathieu, Petit (1791-1844)
Brautpaar kniend vor einem Altar, darauf die Bibel an ein Kreuz gelehnt. QUE L'HOMME DONC NE SÉPARE - PAS CE QUE DIEU A UNI - S. MATHIEU CHAP. XIX.
Rv. Kranz aus Rosen, Rand: Poinçon (Corne) 1 ARGENT, 31,8 mm, 14,43 g – Terisse 723

Rechts: AMOUR ET MARIAGE Couple et évêque à droite, Non Signé (Depaulis, 1792-1870)
Bischof auf den Altarstufen stehend segnet kniendes Paar. Hinter dem Bischof auf dem Altar ein Ziborium, hinter den Brautleuten ein Weihwassergefäß.
Kranz aus Rosen, Rand: Poinçon (Abeille) ARGENT - 27 mm, 10,54 g, Terisse 860

Dateianhang:
1878-ND_Depaulis_Mariage_n.jpg
1878-ND_Depaulis_Mariage_n.jpg [ 117.12 KiB | 18847-mal betrachtet ]


AMOUR ET MARIAGE La Religion les unit, Depaulis (1792-1870)
Brautpaar in antiker Gewandung reicht sich die Hand vor der Religio, welche die Brautleute mit ihren Armen umfängt. LA RELIGION LES UNIT,
Kranz aus Rosen, Gravur: DS, Rand: Hippolyte Devaux - Lucie Sanzelle 15 Mai 1878. 36,5 mm, 22,01 g, Poinçon (Abeille) ARGENT- Terisse 713.

Diese Jetons mögen bekannt sein. Weniger bekannt dürfte dagegen sein, daß sie vor einem recht interessanten Hintergrund stehen. Aus dem Jahr 1832 existiert eine Ankündigung der Verkaufsabteilung der Monnaie de Paris (Avis - Bureau de vente établi à l'hotel des Monnaies et médailles) mit folgendem Inhalt:

"Die Verkaufsabteilung hält eine Serie allegorischer Motive bereit, deren Revers Girlanden aus Rosen, Myrthe und dergleichen zeigt. Diese Medaillen sind aufgrund ihrer Thematik und Gestaltung als "Médailles de mariage" bekannt. Sie ersetzen den "Trézain" - die dreizehn Hochzeitsmünzen, die nach altem Brauch (der im Berry noch existiert) zu den Hochzeitsgeschenken gehören. Diese Münzen werden ebenso wie die Ringe vom Priester gesegnet. Die Münzen konnten in ihrem Wert nach Metall oder Nennwert je nach Vermögenslage der Brautleute variieren. Die Hochzeitsmedaillen der Monnaie können aufgrund variabler Größen und Metalle diese Voraussetzung gleichwertig erfüllen."

Soweit die Ankündigung der Monnaie. Hochzeitsjetons waren ja bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts eher ein Privileg des Adels gewesen. Nun aber sollte dieser schwindende Brauch wohl auch einem aufstrebenden Bürgertum nahegebracht werden. Warum aber "Dreizehn" Münzen? Diese Zahl sollte an Jesus und seine zwölf Apostel erinnern. Der 'Trézain' sollte möglichst aus Gold- oder Silbermünzen bestehen. Jedoch durften je nach Vermögenslage der Brautleute auch vergoldete bzw. versilberte Münzen verwendet werden. Verteilt wurden sie je nach Region variabel: Eine oder zwei Münzen nahm der Pfarrer in Verwahrung. Drei Münzen erhielt die Braut für einen künftigen Bedarfsfall. Die übrigen Münzen erhielt der Bräutigam als symbolischen Beginn der Gütergemeinschaft des Paares. Zwei davon wurden verwahrt und im Sterbefall den Eheleuten mit in den Sarg gelegt. Dieser Brauch wurde – in der Verteilung variiert (zuweilen auf die Trauzeugen ausgedehnt) und regional begrenzt - noch bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg gepflegt.

Münzen aus einem Trézain tauchen nur selten im Handel auf, da sie in der Regel in den Familien der Brautleute über Generationen hinweg verwahrt werden. Meine einzige Quelle für o.a. Infos war eine ausführliche Beschreibung in einem französischen Forum. Die Referenzen der vorgestelllten Stücke verweisen auf die Typen, wie sie von Henri Terisse, La numismatique de mariage erfaßt wurden.

Gruß klaupo


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 Betreff des Beitrags: Re: Französische Jetons
BeitragVerfasst: 26. Apr 2015, 20:07 
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Wirklicher Hofrat

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Mit dem folgenden Jeton geht es wieder zurück in die Frühzeit seiner Verwendung – nämlich als Rechenpfennig. Abgebildet ist ein sog. Delphin-Jeton, der auf die Verwaltung der Dauphiné verweist.

Dateianhang:
1500-ND_Dauphin_Rouyer-VIII-1296_var_n.jpg
1500-ND_Dauphin_Rouyer-VIII-1296_var_n.jpg [ 110.44 KiB | 18814-mal betrachtet ]

Dauphins de Viennois (non daté, XVe siècle)
Av. + AVE MARIA o GRACIA o PL. Dauphin à gauche, des annelets entre les mots. (Delphin nach links, die Wörter der Legende durch Ringe getrennt)
Rv. A - V - E - G, des croisettes accostant les lettres. Croix à triple nervure évidée, fleurdelisée et fleuronnée en un quadrilobe fleuronné à l'intérieur. (Die Buchstaben von Kreuzen flankiert. Kreuz aus drei Strängen, Lilien an den Enden, Blüten im Feld, das Ganze im Vierpass) 23,5 mm, 2,49 g. Feuardent11295; Rouyer VIII 1296 var.

Hintergrund
Im Jahr 1133 nahm der Graf von Albon den Titel Dauphin von Vienne an und gab damit seiner Provinz im Südosten Frankreichs den Namen Dauphiné. Der Delphin (dauphin) wurde auf diese Weise das Wappentier der Grafen von Albon. Ab 1349 wurde die Verwaltung der Dauphiné an den ältesten Sohn des Königs von Frankreich abgetreten, welcher damit auch den Titel Dauphin übernahm. Nachfolgende Erben des französischen Throns übernahmen dieselben Einkünfte und den Titel. Der Delphin wurde als Wappentier auf Münzen und Jetons von der Mitte des 14. bis Mitte des 15. Jahrhunderts verwendet.

Gruß klaupo


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 Betreff des Beitrags: Re: Französische Jetons
BeitragVerfasst: 12. Nov 2016, 12:19 
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Wirklicher Hofrat

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Der folgende Jeton zählt zu den Ausgaben der Dekane der Medizinischen Fakultät der Universität Paris. Diese Jetons wurden seit Beginn des 17. Jahrhunderts bis zum Ausbruch der Revolution geschlagen. Da sie fast ausnahmslos die Amtsdauer aufweisen, dürften sie nach Ausscheiden des jeweiligen Dekans aus dem Amt in vergleichsweise geringer Zahl als Donative geprägt worden sein. Die Marktpreise für diese Gruppe von Jetons liegen um einiges über dem Durchschnitt, da sie nicht nur den Sammler von Jetons im allgemeinen ansprechen, sondern auch für Themensammler des Bereichs "Medicina in nummis" interessant sind.

Etliche Typen dieser Gruppe wurden als "Refrappes" (Nachprägungen) von den originalen Stempeln verausgabt, teils offiziell durch die Monnaie de Paris (mit Randpunze), teils anonym im Sammlerauftrag (ohne Punze). Feuardent nennt einige Stücke, die nur (!) als "Refrappes" bekannt sind und deshalb entsprechend hoch gehandelt werden. Bei den anonymen Prägungen konnte es durchaus zu Merkwürdigkeiten kommen, z.B. zu Stempelkopplungen von Avers und Revers, die im Original nie existiert haben. Sie werden als "Hybride" bezeichnet und entsprechen den "Mules", wie sie von englischen Token bekannt sind. Hier nun das Stück (sehr wahrscheinlich ein Refrappe, aber kein Hybride), das mir interessant genug erscheint, um es vorzustellen.

Dateianhang:
1782_Fac_Medecine_Paris_F4668_n.jpg
1782_Fac_Medecine_Paris_F4668_n.jpg [ 116.47 KiB | 18348-mal betrachtet ]

Zitat:
Faculté de médecine de Paris, Joseph Philip, Doyen 1781 / 1783. Av. Büste des Dekans nach l., Signatur B(enjamin). DUVIVIER. Umschrift JOS. PHILIP. INTERVALL. GLANDAT. SAL. FAC. P. DEC. Rv. Alexander der Große auf dem Krankenlager führt einen Heiltrank an die Lippen. Vor ihm steht sein Arzt Philippos und liest eine Schriftrolle. Insc. EX. FIDE. FIDUCIA. (Aus Treue entsteht Vertrauen). Exergue 1780 - 1781 / 82. Feuardent 4668. 28,5 mm, 7,2 g.

Die Szene im Revers stellt eine Anekdote aus der Vita Alexanders des Großen dar. Neider hatten dem Herrscher ein Schreiben zugespielt, das den Arzt Philippos beschuldigte, dieser plane ihn zu vergiften. Diese Denunziation hält der Arzt in der Hand, während der kranke Herrscher dessen Heiltrank einnimmt. Dazu passend wurde die Umschrift mit dem Verweis auf "Treue und Vertrauen" gewählt. Eine weitere Pointe - die nicht unmittelbar augenfällig wird - ist die Namensgleichheit des Dekans mit dem Arzt der Antike. Wenn man dann noch erfährt, daß der Dekan das lukrative Privileg genoß, die Provinzen im Auftrag des Königs mit Medikamenten zu beliefern, ist es nicht abwegig zu vermuten, daß hier eine zeitgenössische Intrige gegen den Dekan, die am Vertrauen des Königs scheiterte, ins Bild gesetzt wurde.

An einer Übersetzung des "GLANDAT"(-us Universitarii) im Avers bin ich übrigens gescheitert.

Gruß klaupo


Zuletzt geändert von klaupo am 5. Aug 2017, 11:01, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Französische Jetons
BeitragVerfasst: 6. Dez 2016, 11:20 
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Wirklicher Hofrat

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Es wurde im Verlauf dieses Threads bereits deutlich, daß im Frankreich des 17. und 18. Jahrhunderts die verschiedensten Ämter, Berufsstände und Körperschaften eigene Jetons verausgabten - sei es für die Verwendung als Rechenpfennige (in Kupfer bzw. Messing), sei es als Donative bzw. Präsenzzeichen (als geldwerte Vergütung in Silber). Weniger bekannt ist vielleicht, daß auch die Pariser Kirchengemeinden diesen Brauch pflegten, vermutlich jedoch mit Emissionen in sehr beschränkter Stückzahl, wie sowohl die Preisgestaltung am Markt als auch die Tatsache zeigt, daß Feuardent zahlreiche Typen nur als "Refrappes" listet. Einen solchen Jeton möchte ich hier vorstellen.

Dateianhang:
1780_Saint_Nicolas_des_Champs_n.jpg
1780_Saint_Nicolas_des_Champs_n.jpg [ 116.93 KiB | 18296-mal betrachtet ]

Zitat:
Églises de Paris - Saint Nicolas des champs 1780. Av. Buste de Louis XVI. à gauche, signé BERNIER. Insc. LUDOV. XVI. REX. CHRISTIANISS. Rev. Saint Nicolas ressuscitant des enfants. Insc. LES. MARGUILLIERS. DE. ST. NICOLAS. DS. CHAMPS. F. 4305 (AR8). 30 mm.

Die katholische Pfarrkirche Saint-Nicolas-des-Champs wurde im 15. Jahrhundert im Stil der Spätgotik errichtet. Sie steht im 3. Arrondissement von Paris. Während der Französischen Revolution wurde die Kirche geschlossen und zum "Tempel des Hymen und der Treue" umgewandelt. 1802 wurde sie wieder für den Gottesdienst geweiht. (s. Wikipedia)

Das Motiv des Jetons zeigt eine der populären Legenden, die sich um den Heiligen ranken - die Auferweckung von drei Knaben, die von einem mörderischen Wirt zerstückelt und in einem Bottich abgelegt worden waren.

Die Büste von Bernier gilt als extrem selten.

http://www.cgb.fr/eglises-marguilliers- ... 297,a.html

Gruß klaupo


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 Betreff des Beitrags: Re: Französische Jetons
BeitragVerfasst: 6. Aug 2017, 20:02 
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Wirklicher Hofrat

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Hier folgt nun ein weiterer Jeton der Medizinischen Fakultät Paris, den Feuardent als RF = Refrappe gekennzeichnet hat.

Dateianhang:
1713_Hecquet_Fac_Med_Paris_RF_n.jpg
1713_Hecquet_Fac_Med_Paris_RF_n.jpg [ 109.3 KiB | 17577-mal betrachtet ]

Zitat:
Faculté de médecine de Paris, Philippe Hecquet, Doyen 1713 / 1714. Av. Eine Schlange windet sich dem Tempel des Aeskulap auf einem Berg entgegen. Insc. MONSTRAT ITER (Sie weist den Weg). Rev. Kartusche mit dem Wappen der Medizinischen Fakultät Paris. Insc. URBI ET ORBI (zu ergänzen: SALUS). (Der Stadt und dem Erdkreis (Gesundheit)). Exergue: M. PH. HECQUET. ABBAV. FACUL. MED. PARIS. DEC. 1713. (Monsieur Philippe Hecquet aus Abbeville, Dekan der medizinischen Fakultät Paris, 1713). Ag, 29 mm, 7,45 g. Feuardent 4532 RF

Philipp Hecquet (1661 Abbeville - 1737 Paris) studierte zunächst Philosophie an der Sorbonne mit der Absicht in den geistlichen Stand zu treten, entschied sich danach jedoch für die Medizin. Als Arzt wirkte er in Reims und seiner Geburtsstadt Abbeville, ehe es ihn erneut nach Paris zog. Hier wurde er 1697 Doktor der medizinischen Fakultät und nacheinander Leibarzt des Fürsten von Condé, Henri III. Jules de Bourbon, dessen Frau und der Herzogin von Vendome. Tief religiös - Hecquet war Jansenist - war er äußerst maßvoll in seinen Honoraransprüchen, übernahm die Aufsicht über das Hospital de la Charité, förderte junge Ärzte, denen er bei Geldmangel Fachliteratur schenkte und behandelte bevorzugt bedürftige Patienten, denen er seine Arzneien kostenlos verabreichte. Zum Dekan seiner Fakultät wurde er gegen seinen Willen ernannt, führte dieses Amt jedoch sehr gewissenhaft. Neben seiner Tätigkeit als Arzt publizierte er zahlreiche medizinische Schriften nach dem Kenntnisstand der Zeit.

Hecquet war Jatro-Mathematiker, d.h. ein Anhänger der medizinischen Theorie, daß kosmische Vorgänge sich unmittelbar auf den Menschen und seine Gesundheit auswirkten. Ein Aderlaß durfte nur bei bestimmten kosmischen Konstellationen vorgenommen werden, und das Sammeln von Heilkräutern wurde vom Stand der Gestirne abhängig gemacht, um nur zwei Beispiele zu nennen. Zu Lebzeiten Hecquets mußte daher der Arzt zugleich auch Astrologe sein - das gehörte zusammen.
(Diese Infos sind entnommen aus "Hugo Glaser, Das Denken in der Medizin: Eine Einführung")

Seine letzten Lebensjahren verbrachte Hecquet bei den Karmeliterinnen in Saint Jacques, deren Medicus er 32 Jahre lang gewesen war. Er blieb unverheiratet und lebte zeitlebens in äußerst bescheidenen Verhältnissen.

Wenn man nun die Vita und den Charakter dieses Dekans ein wenig kennengelernt hat, überrascht es nicht, daß der Jeton im Avers nicht wie üblich ein Portrait zeigt, sondern den Weg zur Medizin mit der Schlange als Wegweiser allegorisch in den Vordergrund stellt.

Gruß klaupo


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 Betreff des Beitrags: Re: Französische Jetons
BeitragVerfasst: 11. Okt 2017, 19:24 
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Wirklicher Hofrat

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Die folgende kleine Medaille zählt ebenfalls zum Themenkreis "Medicina in nummis" und zeigt eine Persönlichkeit, deren Name weithin bekannt sein dürfte.

Dateianhang:
1810_Med_Droz_Guillotin_n.jpg
1810_Med_Droz_Guillotin_n.jpg [ 106.3 KiB | 17439-mal betrachtet ]

Zitat:
Premier Empire, Académie de médecine, 1809 -1810, Joseph Ignace Guillotin. Av. Büste Guillotins mit offenem Haar nach r., im Schulterabschnitt Signatur D. (Droz). Umschrift JOS. IGN. GUILLOTIN SANTO MED. PAR. ACAD. PRAESES. (Joseph Ignace Guillotin aus Saintes Präses der Medizinischen Akademie zu Paris). Darunter 1807 - 08 Rv. Gekreuzte Mohnkapseln, Legende in sieben Zeilen RECOGNITIS | DENUOQ CONFIRMATIS | SANCITIS | ACADEMIAE MED. PAR. | STATUTIS | ATQUE IN STATUTA | COMMENTARIIS | J. I. GUILLOTIN PRAESIDE | 1809-1810 | (Geprüft und erneut bestätigt (wird) anhand der verbindlichen Statuten der Medizinischen Akademie zu Paris sowie der Kommentare in diesen Statuten J. I. Guillotin als Praeses. 1809-1810.) Darunter Stab des Aeskulap mit der Schlange. AR 27,5 mm, 9,52 g. Blumenbach, Index numismatum etc. Berlin 1825, CXXVI. 188. Poinçon -

Dr. Joseph-Ignace Guillotin (geb. 1738 in Saintes -gest. 1814 in Paris) war als Arzt eigentlich ein Gegner der Todesstrafe. Da deren Vollstreckung jedoch weiterhin praktiziert wurde, hatte er 1789 während der Französischen Revolution vorgeschlagen, ein geeignetes Gerät zu entwickeln, um die Leiden der Delinquenten zu verkürzen. Das Ergebnis war ein Schafott, das mit seinem Namen belegt wurde - die Guillotine. Ihre Einführung löste wütende Proteste der Bevölkerung aus, die sich um das Schauspiel einer längeren Hinrichtung betrogen fühlte und den Galgen zurückforderte. Die Familie Guillotins versuchte später mit verschiedenen Eingaben ergebnislos eine Umbenennung der Tötungsmaschine zu erwirken und änderte daraufhin ihren Namen. Hinter dieser Namensverbindung Guillotins mit dem Fallbeil verblaßte leider sein erfolgreiches Engagement für die flächendeckende Impfung gegen die Kuhpocken in Frankreich, für die er sowohl Napoleon als auch den Papst überzeugen konnte.

Gut zwanzig Jahre nach seinem Tod verbreitete sich das Gerücht, Guillotin sei selbst durch "seine Erfindung" zu Tode gekommen. Hier kommt nun die Medaille ins Spiel, deren Datierung zusammen mit zwei weiteren Ausgaben als Beleg angeführt wurde, daß er bis kurz vor seinem (natürlichen) Tod im Jahr 1814 an der 1804 gegründeten Medizinischen Akademie zu Paris tätig war und wiederholt als deren Präses fungierte.

Für die lateinischen Legenden der Medaille habe ich in den gängigen Sprachen (Englisch, Französisch, Deutsch) keine Übersetzungen gefunden und mich daher selbst daran versucht. Sie sind also korrekturfähig.

Gruß klaupo


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 Betreff des Beitrags: Re: Französische Jetons
BeitragVerfasst: 12. Okt 2017, 12:25 
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Lieber klaupo.
Danke für deine tollen und Informativen Einblicke in die Welt der Münzen/Medaillen.


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 Betreff des Beitrags: Re: Französische Jetons
BeitragVerfasst: 12. Okt 2017, 16:39 
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Wirklicher Hofrat

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Die Recherche zu diesem Stück war nicht einfach. Interessanterweise stieß ich neben lateinischen Informationen auch auf eine Quelle aus Österreich - das "Österreichische Morgenblatt" von 1836. Hier ist der vollständige Artikel zur Frage, wer eigentlich der Erfinder der Guillotine sei. Viel Vergnügen bei der Lektüre!

https://books.google.de/books?id=00ZbAA ... to&f=false

Gruß klaupo


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 Betreff des Beitrags: Re: Französische Jetons
BeitragVerfasst: 25. Nov 2017, 21:21 
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Wirklicher Hofrat

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Die beiden folgenden Jetons des Dekanats der medizinischen Fakultät Paris weisen einige Besonderheiten auf. Beide Stücke sind vermutlich Anfertigungen im Sammlerauftrag, d.h. nicht gekennzeichnete Abschläge (Refrappes) von den Originalstempeln. Das obere Stück ist zudem ein Hybride (Zwitter, engl. Mule), d.h. eine Stempelkopplung von zwei verschiedenen Jetons, deren Originale in diesem Fall nicht einmal im selben Jahr geprägt wurden. Man erkennt im Revers dieses Stücks, daß im Exergue das Prägejahr (im Original 1725) getilgt wurde. Als Refrappe ist es leicht zu erkennen, da es sich um eine Kehrprägung handelt. Das untere Stück weist die übliche französische Wendeprägung auf, ist bei Feuardent gelistet und daher nicht eindeutig als Refrappe anzusprechen.

Dateianhang:
1731-1754_Baron_Kehr-_und_Wendeprägung_n.jpg
1731-1754_Baron_Kehr-_und_Wendeprägung_n.jpg [ 115.67 KiB | 17209-mal betrachtet ]

Zitat:
Oben: Faculté de médecine de Paris, Hyacinthe-Theodore Baron, père (1686 - 1758), Doyen 1731 / 1732. Av. Buste à droite. Insc. H. T. BARON F. M. P. DECANUS 1731 32. Signé JCR (Roettiers). Feuardent 4564. Rev. États de Bourgogne, La majorité du roi. (Die Oberhoheit des Königs) Jeton 1725. Soleil au-dessus d'un cadran solaire (Sonne über Sonnenuhr). Insc. REGIT ME ET DIRIGIT ORBEM. (Sie herrscht über mich und lenkt den Erdkreis) Exergue: 1725. AR. Feuardent 9836 (Cu). 9,41g, 29,5 mm. Hybride.
Original für das Avers s. hier.
Original für das Revers s. hier.

Unten: Faculté de Médecine de Paris. Hyacinthe-Theodore Baron, fils (1707-1787), Doyen 1751-1754. Av. Son buste à droite, signé D.V. (Du Vivier) HY . THEOD . BARON . DECANUS. Rv. URBI . ET . ORBI. SALUS. (Der Stadt und dem Erdkreis Gesundheit) Armes de la faculté. Les trois cigognes. (Wappen der Fakultät mit den drei Störchen) À l'exergue FACULT . MEDIC . PARIS . 1754. 7,35 g, 28,5 mm. Feuardent 4613 AR8.
Original s. hier

Die französischen Beschreibungen sind für beide Jetons fehlerhaft. Dargestellt sind zwei Personen (Baron pater 1730 - 1734, Baron filius 1750 - 1754). Ihre Amtsperioden werden jedoch beide dem Senior zugeordnet. Ich habe meine Beschreibungen daher erweitert, indem ich das verwandtschaftliche Verhältnis und die Lebensdaten zugefügt habe. Andernfalls hätte der Eindruck entstehen können, der Junior habe bereits im zarten Alter von drei Jahren seit 1710 den Arztberuf ausgeübt, und das ist doch recht unwahrscheinlich.

Beide Barons kamen aus einer Familie, aus der über einen Zeitraum von ca. 150 Jahren immer wieder Ärzte hervorgegangen waren. Der jüngere Baron war als Arzt bei mehreren Feldzügen im Einsatz gewesen, ehe er an die Universität wechselte. Er hinterließ u.a. einen mehrbändigen chronologischen Katalog, welcher alle Pariser Ärzte seit dem 13. Jh. erfaßte.

Dem älteren Baron gelang während seiner Amtszeit ein wegweisende Reform der medizinischen Fakultät. Dazu muß man wissen, daß zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Medizin als Arzneimittel-Heilkunde studiert und praktiziert wurde. Daneben gab es separat die Chirurgie, die den operativen Bereich für sich in Anspruch nahm. Die beiden Berufszweige standen in erbitterter Konkurrenz zueinander - den Medizinern wurde der Zugriff auf das erforderliche Arbeitsmaterial - Leichen für die Sektion - verwehrt. Baron hob diese Trennung auf, indem er den Studiengang Anatomie mit abschließendem Examen in das Studium der Medizin einfügte. Als Studienmaterial dienten damals Gehenkte, auch Diebstähle auf Friedhöfen waren üblich. Eine Zeitlang überfielen die Studenten auch Leichenzüge der jüdischen Gemeinden. Diese fanden jedoch bald einen einfachen Weg, um die Diebstähle zu unterbinden: Sie verlegten ihre Leichenzüge in die frühen Morgenstunden, denn da pflegten die Studenten noch zu schlafen.

Auf diese Reform des älteren Baron wurde ebenfalls ein Jeton verausgabt. Der Club français de la médaille ließ diesen Jeton 1981 bei der Monnaie de Paris nachprägen. Er zeigt im Revers rechts eine Amputation, links eine Obduktion mit dem Wappenschild der Fakultät im Vordergrund.
Dateianhang:
1733-34_Baron_Refrappe_1981_F-4568_n.jpg
1733-34_Baron_Refrappe_1981_F-4568_n.jpg [ 110.05 KiB | 17209-mal betrachtet ]

Die Grafik ist entnommen dem Bulletin numéro 70/71 - Premier trimestre 1981, p. 131 des Clubs.

Gruß klaupo


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